„Wiki“, der hawaiianische Begriff für „schnell“, in kreativer Verschmelzung mit „Enzyklopädie“ (bzw. „encyclopedia“), wurde im Jahr 2001 zur Bezeichnung für die weltweite Internet-Wissensdatenbank Wikipedia, bei der sich jeder einbringen kann, der wissenswerte Fakten beizusteuern hat. Der Clou daran: Wikipedia arbeitet bis heute „non-profit“, rein spendenfinanziert und steht jedem grundsätzlich gratis zur Wissens-Recherche zur Verfügung.
Die Idee der offenen Online-Enzyklopädie griff Jens Rusch im Jahr 2009 auf und begründete im Alleingang eine Wissenssammlung über die Freimaurerei. Wir nehmen den nahenden 15. Geburtstag des Freimaurer-Wikis (im Herbst 2024) zum Anlass, mit Br. Jens Rusch ein Online-Interview über den Anfang, die Schwierigkeiten, die Entwicklung des Projekts und dessen Zukunft zu führen.
Lieber Jens, was bewog Dich vor 15 Jahren, das Freimaurer-Wiki zu gründen?
Als ich im Spätherbst 2009 die Idee zu einem monothematischen Online-Lexikon entwickelte, geschah das zunächst aus einem Gefühl der Hilflosigkeit. Permanente Unterstellungen, Lügen, Verschwörungsgeschwurbel im immer weiter expandierenden Internet schienen sich unaufhaltsam zu einer demagogischen Gefahr für die aktuelle Freimaurerei auszuwachsen.
Musste das nicht mit den vorherrschenden Vorstellungen von Verschwiegenheit kollidieren?
Das war wohl unausweichlich. Die Anwürfe, ich würde Statuten außer Kraft setzen, ich wäre ein Verräter, auch konkrete Widerstände mussten geradezu unweigerlich folgen.
Wie hast Du dieses anscheinend unlösbare Problem, unter dem sich ja auch heute viele Logen bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit winden, lösen können?
Zunächst beschränkte ich mich darauf, bereits im Internet veröffentlichte Beiträge zusammenzufassen und durch eigene Recherche zu komplettieren. Dadurch entstanden unglaublich viele internationale Kontakte. Ich stieß auf ganz ähnliche Bemühungen in den USA, in Neuseeland und Australien. Ein intellektueller Tauschhandel entstand. Ich erhielt Daten und Fotos über ein Freimaurerisches Kanonenboot auf dem Mississippi gegen meine Datensammlung über deutsche Feldlogen.
Alles im Rahmen freimaurerischer Recherche?
Ja, zunächst. Aber über die freimaurerischen Forschungslogen hinaus entstanden auch Kontakte zu anderen Museen und Sammlungen. Als es um Knotensäulen ging beispielsweise, oder freimaurerische Friedhofsfelder in den USA. Auch musste ich befreundete Fotografen in anderen Ländern motivieren, bestimmte Orte für mich aufzusuchen und Fotos zu machen. So kamen auch viele Nichtfreimaurer ins Spiel.
Blieb es dann bei einem digitalen Nachschlagewerk?
Wir sind ja von einer umfassenden Digitalisierung freimaurerischer Bibliotheken noch weit entfernt, aber es bestehen gigantische Sammlungen, die ich gern integriert hätte. Nur überfordert mich das alleine längst. Professionelle Kooperationen, beispielsweise mit Quatuor Coronati oder Frederik verliefen schnell im Sande, weil es an ehrenamtlichen Mitstreitern fehlte.
Du machst das also seit 15 Jahren ehrenamtlich?
Ja, aber längst nicht mehr alleine. Wir haben eine Redaktion nach journalistischen Kriterien aufgebaut und den deutschsprachigen Raum in Österreich und der Schweiz sehr komplex bearbeitet. Bruder Rudolf Nagiller hat sich auf diesem Wege zu einem Online-Experten entwickelt, der auch die Internet-Entwicklung der österreichischen Großloge mit forcierte. Schwester Nadine Mazoni-Frasconi steht mir seit Beginn bei allen technischen Fragen zur Seite. Unser Chefredakteur Bruder Dieter Ney ist ein wunderbar forschungsbeseelter und deeskalierender Bruder. Wir haben also durchaus eine Idealbesetzung.
Hast Du ein Schwerpunkt-Thema, das Dir besonders am Maurerherzen liegt?
Durchaus. Die Kategorie „Dunkle Zeit“ umfasst inzwischen 130 Inhaltsseiten und eine Fülle aufschlußreicher Dokumente, die uns die Aktualität besser verstehen lassen könnte.
Wieso sagst Du „könnte“?
Man erkennt vielleicht am Besten an meiner Dokumentation der Rekonstruktion der von den Nazis zerstörten Statue Friedrich Ludwig Schröders, wie folgenlos der Versuch sein kann, die eigene Geschichte als Reflektor für gegenwärtige Probleme und Fehler sinnvoll einzusetzen.
Wie zukunftsfähig ist das inzwischen auf rund 6.500 Inhaltsseiten angewachsene Freimaurer-Wiki denn konkret?
Unser Förderverein wird von Bruder Walter Plassmann sehr verantwortungsbewusst geführt. Die wirtschaftliche Unterstützung durch die Logen, die einzige Gewähr für unsere Unabhängigkeit, ist jedoch leider stark rückläufig.
Und wie lautet Dein Schlusswort?
Möge dieses wichtige Instrument einer glaubwürdigen und vertrauensbildenden Aussendarstellung unserer Freimaurerei alle Beteiligten überdauern.
Lieber Bruder Jens,
ich habe mich sehr gefreut, dass dir auf der Webseite der GL AFuAM ein Beitrag gewidmet wurde – dir als Gesicht der „Freimaurer-Wiki“.
Aus den Gesprächen mit dir in der Vergangenheit weiß ich, wie schwierig und steinig der Weg war, den du über weite Strecken – überwiegend allein – gehen musstest.
Aber du hast nie aufgegeben, auch, weil du von der Sache überzeugt warst. Trotz deiner Krankheit hast du unermüdlich weitergearbeitet. Aus kleinen Anfängen heraus hast du eine Enzyklopädie geschaffen, die ihresgleichen sucht – Respekt!
Es ist und bleibt dein „Baby“, aber wäre es jetzt nicht an der Zeit, dass die VGLvD die Verantwortung für dieses Werk sowohl für den Ausbau als auch für eine genügende finanzielle Ausstattung übernimmt – immer unter der Voraussetzung, dass dazu die Bereitschaft besteht?
Lieber Bruder Jens, dem Freimaurerbund konnte nichts Besseres passieren, als dich als Bruder zu gewinnen., der sich konsequent für die Ziele des Freimaurerbundes einsetzt.
Ich danke dir für dein großartiges Engagement und wünsche dir erfüllte Tage bei allem, was du tust.
Dein Bruder Gerd aus Stade