Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Auf den Spuren der Mannheimer Freimaurer

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Foto domeckopol / pixabay

Das Großlogentreffen vom 29. bis 31. Mai in Mannheim ist der Höhepunkt des Maurerjahres für unsere Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland. Im 70. Jahr ihres Bestehens treffen sich die Vertreter der Mitgliedslogen, um über die Aufgabe und Rolle unseres Bruderbundes in einer sich immer stärker verändernden Welt zu beraten.
Mit Mannheim wurde ein auch für Freimaurer sehr geschichts- und symbolträchtiger Veranstaltungsort gewählt.
Br. Alexander John, Meister vom Stuhl der gastgebenden Mannheimer Loge „Carl zur Eintracht“ Nr. 31, hat sich auf die Spuren der masonischen Geschichte Mannheims begeben.

Seit wann Freimaurerei in Mannheim existiert, ist nicht eindeutig belegt. Gesichert ist 1756 als Gründungsjahr der Loge „Charles de l’Union“, mitten in der Regentschaft des Kurfürsten Karl Theodor, dem gemeinhin eine Nähe zur Aufklärung nachgesagt wird. Indes finden sich Spuren, die dafür sprechen, dass in Mannheim gar die erste Loge im deutschsprachigen Raum 1727 gegründet wurde. Die Spuren sind allerdings nicht sehr konturreich. Ausgangspunkt ist ein kurpfälzisches Dekret von Kurfürst Karl Philipp vom 21. Oktober 1737. In ihm verbietet der Kurfürst bei Strafe der Amtsentsetzung allen in Zivil- und Militärdienst stehenden Personen, in die „sogenannte Brüder- oder Gesellschaft der franc macons ein[zu]treten“ – mithin Freimaurer zu werden. Und wo die Mitgliedschaft verboten wird, müsste doch eigentlich eine Loge existieren …

Liegen in Mannheim die Wurzeln der deutschen Freimaurerei?

Ein späteres Quellenzeugnis, der Brief von Ignaz Freiherr von Reibelt an seinen Bruder Uriot aus dem Jahr 1769, behauptet, der englische Gesandte am Pfälzer Hof, Graf Albrecht Wolfgang von Schaumburg-Lippe, der erste deutsche Freimaurer überhaupt, habe 1727 eine Loge in Mannheim mit dem Namen „Einigkeit“ gegründet. Doch kennen wir weder den vollständigen Namen noch den Sitz und weitere Mitglieder. Es muss also offenbleiben, ob ab 1727 wirklich eine feste Organisation oder erst noch ein loser Zusammenschluss Gleichgesinnter bestand. Jedenfalls dürfte Kurfürst Karl Philipp – in seiner ganzen Programmatik einem kämpferischen Geist des Katholizismus verhaftet – jegliche Vereinigung von Personen, die hinter verschlossenen Türen eigene Vorstellungen über einen besseren Staat und eine bessere Kirche debattierten, ein Gräuel gewesen sein. Generell kann für das 18. Jahrhundert die These formuliert werden, dass das Verhältnis zwischen der machtvoll wachsenden Zahl an Freimaurern und dem kurpfälzischen Staat in der Tendenz eher kompliziert blieb.

Mannheimer mit guten Manieren und erlesenem Geschmack

Sicheren Boden betreten wir also erst ab 1756, als in Mannheim die Loge „Charles de l’Union“ (Matrikel-Nr. 31) begründet wird, die allerdings nicht nach dem Kurfürsten benannt ist, sondern nach dem Stuart-Prätendenten für den englischen Thron, Charles Edward, da die Loge dem französisch-schottischen Freimaurersystem anhing. Franzosen waren die führenden Persönlichkeiten in der Mannheimer Loge, so etwa der Hofzahnarzt Johann Baptist Drouin oder der französische Schauspieler Le Bauld-de-Nans als erster Meister vom Stuhl. Unter den Gründungsmitgliedern war auch der Jesuit Franz Joseph Seedorf, väterlicher Erzieher, Beichtvater und später einer der engsten Berater des jungen Kurfürsten Karl Theodor. 1774 löste sich die Loge offenbar wegen interner Konflikte auf, was nicht untypisch in der Geschichte der Freimaurerei ist, die immer wieder von inneren Richtungskämpfen erschüttert wurde.

Nachdem Karl Theodor in der Silvesternacht 1777/78 zum Erbe des bayerischen Kurfürstentums wurde und die Residenz von Mannheim nach München verlegt hatte, erstarkten die Bestrebungen zur Wiederbelebung oder gar Neugründung einer Loge in Mannheim. So ersuchte der spätere Theaterintendant Wolfgang Heribert von Dalberg den Kurfürsten um die Zustimmung zur Gründung einer Loge der Strikten Observanz. Karl Theodor lehnte ab. Unabhängig davon lebte 1778 die alte Loge „Charles de l’ Union“ wieder auf, unterstützt vor allem von Offizieren und Mitgliedern der Schauspieltruppe.

Der Florentiner Cosimo Allessandro Collini, eine Persönlichkeit des Hofes, attestierte den Mannheimern Urbanität, Höflichkeit, gute Manieren und Geschmack, insbesondere den „besseren Kreisen“ am Ende des 18. Jahrhunderts. Zu den für neue Ideen offenen Kreisen wie etwa die Deutsche Gesellschaft gehörten vor allem viele Offiziere, Künstler und Theatermitglieder, die wiederum das Gros der Mitgliedschaft in der Mannheimer Freimaurer-Loge stellten. Von 57 ­bekannten Mitgliedern waren 22 höhere Militärs, je sechs Schauspieler und Tänzer, drei Musiker, zwei bildende Künstler, darunter Egid Verhelst, und je zwei Advokaten, Kaufleute und Handwerker. Das heißt, um 1780 dominierten die höfisch-staatlichen Bediensteten in der hiesigen Freimaurerei.

Illuminaten unterwanderten die Logen in der Kurpfalz

Seit 1781 begann sich auch der einige Jahre zuvor gegründete Illuminatenorden in der Kurpfalz zu verbreiten. Zweiter Gründer neben Prof. Adam Weishaupt war Adolf Freiherr von Knigge, der in Heidelberg lebte. Knigges Programm der Unterwanderung und Übernahme der bestehenden Logen durch den Illuminatenorden wurde in Heidelberg, Mannheim und Kaiserslautern angewandt. Dalberg zeigte sich als Anhänger einer fürstlich-gemäßigten Aufklärung und einer eher mystischen, auf jeden Fall staatstragenden Maurerei allerdings als entschiedener Gegner der geheimbündlerischen Illuminaten, denen er etwa in der Deutschen Gesellschaft entgegentrat.

Nach Aufdeckung des Geheimbundes in Bayern ergingen seit 1784 Verordnungen gegen Freimaurer wie Illuminaten, die 1785 zur Auflösung aller Logen in der Kurpfalz führten. Unmittelbar vor ihrer Auflösung hatte die Mannheimer Loge in Karlsruhe noch eine neue Loge unter dem Namen „Karl zur Einigkeit“ gegründet. Der Name war eine direkte Übersetzung des alten Namens der Mannheimer Loge. Dies zeigt, dass die Loge angesichts ihrer drohenden Auflösung ihre Aktivitäten in ein benachbartes Territorium verlegte – eine Strategie, der wir auch in späteren Jahren wieder begegnen. Dennoch herrschte in Mannheim nach wie vor ein vergleichsweise liberales, aufgeklärtes und intellektuelles Klima, bekanntlich verkörpert in Schillers „Räubern“, die hier 1782 ihre gefeierte Uraufführung erlebten.

Als der Kurfürst 1778 nach Bayern abreiste und Mannheim seinen Status als Residenz verlor, war Karl Theodors Abschiedsgeschenk das von Dalberg geleitete Nationaltheater. Diese Spielstätte trat gewissermaßen bis in die frühe badische Zeit, vor allem als die beiden Freimaurer Heribert von Dalberg und Anton von Klein das Theaterleben bestimmten, das Erbe der Aufklärung an. Zwar gelang es nicht, den führenden deutschen Freimaurer Gotthold Ephraim Lessing als Leiter des neuen Nationaltheaters zu gewinnen, der durch die Freimaurergespräche „Ernst und Falk“ 1778 hervorgetreten war. Doch die Mannheimer Theaterszene, ob in der Leitung oder im Ensemble, stand in großen Teilen der Freimaurerei und ihrem Streben nach Weltverbesserung und Menschheitsveredelung nahe. Offiziell wurden die Logen ab 1806, wenn auch nur für kurze Zeit, wieder zugelassen. So erlebte das „Logenhaus“ des Großherzoglichen Hof- und Nationaltheaters am Donnerstag, dem 15. Januar 1818, die Erstaufführung eines Stückes, das den bezeichnenden Titel „Der Freimaurer“ trägt und aus der Feder von August Friedrich Ferdinand von Kotzebue stammt.

Dichter und Freimaurer August von Kotzebue wurde in Mannheim ermordet

Seit 1813 war die Freimaurerei im Staat Baden wieder einmal verboten. Die Mannheimer Freimaurer waren deswegen nach Frankenthal ausgewichen und hielten dort ihre Zusammenkünfte ab. Das Verbot galt in Baden übrigens bis 1830.
Mittlerweile ist das eher seichte Bühnenspiel Kotzebues, wie nahezu alle Stücke des Autors, in Vergessenheit geraten. Der Name Kotzebue ist aus einem ganz anderen Grund bis heute präsent. Seine Ermordung am 23. März 1819 in A 2, 5 – unweit vom Schloss – lieferte bekanntermaßen den Anlass, um mit den Karlsbader Beschlüssen ein restauratives System im Deutschen Reich zu begründen. Die Burschenschaften wurden aufgelöst, missliebige Professoren ebenso wie Journalisten und Redakteure mit Berufsverbot belegt, die Universitäten unter staatliche Aufsicht gestellt. Eine geradezu allgegenwärtige Zensur suchte die Presse mundtot zu machen und jeglichen Freigeist zu ersticken. Versammlungsfreiheit war nicht mehr gegeben. Davon waren wieder einmal auch die Freimaurer betroffen.

Und die Karlsbader Beschlüsse führten mit dazu, dass sich das Urteil des zeitgenössischen Malers Wilhelm von Kuegelgen (1802–1867) im kollektiven Geschichtsbild durchsetzte, wonach der Freimaurer Kotzebue „ein literarischer Giftmischer, ein russischer Spion, ein Vaterlandsverräter und Abgrund alles Verderbens“ gewesen sei. Dagegen habe, so Kuegelgen, der „Heldenjüngling“ Sand – Kotzebues Mörder – „diesen Höllenpfuhl mit seinem Pestqualm geschlossen, sich selbst als ein anderer Curtius fürs Vaterland und seine heiligsten Interessen opfernd“. Insofern hat im heutigen Geschichtsbild eine merkwürdige Rollenverdrehung stattgefunden: der Freimaurer Kotzebue erscheint als der geistige Täter der deutschen Unfreiheit, hingegen Karl Ludwig Sand als das heldenhafte Opfer, als Bannerträger von „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ und damit gleichsam als ein „Freimaurer im Geiste“.

Bürgerlich-demokratische Positionen prägten Mannheim im 19. Jahrhundert

Die Stadtpolitik wurde zu jener Zeit vom bürgerlichen Flügel der Fortschrittspartei und der daraus erwachsenden Deutschen Volkspartei geprägt, die im politischen Spektrum als linksliberal etikettiert werden kann. Bedeutende Freimaurer haben in ihr eine gewichtige Rolle gespielt: Zum einen der Kaufmann Karl Nestler, Meister vom Stuhl der Johannis-Loge „Carl zur Eintracht“ von 1852 bis 1854 und Bürgermeister der Stadt Mannheim von 1849 bis 1869. Zum anderen Eduard Moll, der erstmals 1870 als Stadtoberhaupt gewählt und 1875 und 1885 wiedergewählt wurde. Er trug in dieser Funktion den Titel des Ersten bzw. dann des Oberbürgermeisters. Von 1852 bis 1865, mithin dreizehn Jahre, stand er als Meister vom Stuhl der Johannis-Loge „Carl zur Eintracht“ vor.

Karl Nestler wie auch Moll prägten nahezu vier Jahrzehnte das lokalpolitische Geschehen der rasch wachsenden Handels- und Industriestadt Mannheim, in der 1886 der Benzwagen patentiert und im gleichen Jahr mit dem Bau des Wasserturms begonnen wurde. In ihrer politischen Grundhaltung verkörperten beide eine eigenständige, stark vom Geist der 1848er-Revolution bestimmte bürgerlich-demokratisch Position, die auf die strikte Trennung von Staat und Kirche pochte, worin sich beispielhaft ihre freimaurerische Grundhaltung widerspiegelte. Doch sollten die von ihnen repräsentierten Demokraten in Mannheim ab den 1870er Jahren zwischen den nun heraufziehenden führenden Antipoden, den Nationalliberalen und den Sozialdemokraten, allmählich zerrieben werden, so dass ihre dominierende Ära mit Eduard Molls Rücktritt im August 1891 endete.

Moll bot jeglicher politischen und religiösen Hetze – auch dem im deutschen Kaiserreich wieder anwachsenden Antisemitismus – energisch die Stirn. Das war auch Ausdruck seines Verständnisses von Humanität oder, wenn man so will, Ausdruck seiner freimaurerischen Überzeugungen. Es ist daher nicht verwunderlich, dass führende jüdische Intellektuelle und Bürgersöhne, wie z. B. Bernhard Herschel, der Loge „Carl zur Eintracht“ angehörten. Und die 1877 von der Badenia-Loge abgespaltene Spinoza-Loge rekrutierte ihre Mitglieder sogar überwiegend aus jüdischen Kreisen.
Es waren auch Mannheimer Freimaurer, die um den Erhalt der ersten deutschen Republik kämpften und für eine Aussöhnung mit dem Nachbarn Frankreich warben.

„Carl zur Eintracht“ ist die Mutterloge der Mannheimer Freimaurerei

Pfingsten 1929 – am 200. Geburtstag von G. E. Lessing – fand die neunte „Internationale Freimaurerische Friedensmanifestation“ in Mannheim statt. Aber auch hier scheint die lokale Szene noch gespalten gewesen zu sein, denn fünf Mannheimer Logen nahmen an der Kundgebung offiziell nicht teil. 1929 haben verschiedene Redner, darunter der Ludwigshafener Logenbruder Dr. Friedrich Wilhelm Wagner, auf die deutsch-französische Verständigung abgehoben. Den Faschismus sahen Wagner wie andere Redner schon als Bedrohung für Europa. Man traf sich bezeichnenderweise im Logenhaus der „August-Lamey-Loge“ des befreundeten jüdischen B’nai-B’rith-Ordens in C 4, 2, ferner bei einer Vorstellung im gerade erst zwei Jahre zuvor eröffneten Planetarium im Luisenpark und – wie könnte es anders sein – im Nationaltheater bei Mozarts Freimaueroper „Zauberflöte“.

In den 30er Jahren zog die Diktatur auf, und bereits im Winter 1932/33 waren die meisten Logenhäuser verkauft. Während es bei den altpreußischen Großlogen Versuche der Anbiederung gegenüber der NS-Diktatur gab, scheint es im Südwesten von Anfang an einen klaren Willen zur Selbstauflösung gegeben zu haben. So auch bei der Loge „Carl zur Eintracht“, die am 22. April 1933 nach eingehender Aussprache einstimmig die Selbstauflösung beschloss.

Nach 1945 erfolgte die Wiederbelebung der Freimaurerei bemerkenswert schnell und unaufgeregt, auch wenn die Rückgabe und Entschädigungsfrage des im Zweiten Weltkrieg zerstörten, einst unter Eduard Moll 1885 gebauten Logenhauses in L 8, 3 auf sich warten ließ. Mit dem neuen Haus in L 9, 9, geweiht am 2. März 1952, fand die älteste Mannheimer Loge „Carl zur Eintracht“ eine würdige neue Heimstatt. Aus ihr gingen im Laufe der Jahre zahlreiche Freimaurerlogen als Tochterlogen hervor. „Carl zur Eintracht“ ist somit die „Mutter“ aller Freimaurerlogen in Mannheim.

Inzwischen gibt es mit der 1981 gegründeten „Unitas“ nicht nur eine Loge für Freimaurerinnen in Mannheim und Umgebung, sondern auch gemischte Logen. Die Vielzahl und die Selbstverständlichkeit, mit der die Logen innerhalb der Stadt wirken, ist durchaus ein Indiz für das Maß an liberaler Toleranz von Stadt und Gesellschaft insgesamt und Spiegel einer gelebten ethisch-sozialen wie integrativen Praxis, in der Brüderlichkeit und Geschwisterlichkeit keine verstaubten Begriffe aus der Mottenkiste sind.

Der gekürzte Aufsatz ist eine für die Drucklegung überarbeitete Festrede, die der Verfasser Prof. Ulrich Nieß, Leiter des Marchivums in Mannheim, am 16. Juni 2017 anlässlich der Veranstaltung „300 Jahre Freimaurerei“ hielt, ausgerichtet von der Interessengemeinschaft Rhein-Neckar-Logen.

Der Beitrag entstammt der Zeitschrift “HUMANITÄT — Das Deutsche Freimaurermagazin”, Ausgabe 3-2019.