Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Auf den Spuren der Zeit

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Zeit ist nicht gleich Zeit, Zeit wird sehr unterschiedlich definiert, ob vom Lexikon, von der Physik, ob von der Philosophie oder der Kirche. Auch in der Freimaurerei haben wir Zeitbegriffe definiert, die sich im 24 zölligen Maßstab und insbesondere in den Zeiten im Ritual wiederfinden. Und auch im profanen Leben sind Begriffe im Zusammenhang mit der Zeit geprägt worden, die ihren festen Standort in der Gesellschaft und in unserem Leben gefunden haben.

Was ist eigentlich Zeit?

Diese Frage bewegt die Menschheit schon seit Jahrtausenden und es ist hochinteressant, sich mit der Geschichte der Zeitmessung zu befassen; von der Sonnenuhr bis hin zur Atomuhr. Immer haben die Menschen danach gestrebt, die Zeit in den Griff zu bekommen.  Den Begriff “Zeit” erklärt das Lexikon so:

Zeit ist das nicht umkehrbare, nicht wiederholbare Nacheinander, das erfahrbar und bewusst wird als Aufeinanderfolge von Veränderungen und Ereignissen in Natur und Geschichte.

Im Neuen Testament finden wir zwei wichtige griechische Worte für Zeit: Chronos und Kairos. Chronos steht für die Uhrzeit und für die Kalenderzeit. Die Zeiger der Uhr, früher auch Chronometer genannt, drehen ihre Zeiger unaufhörlich Tag für Tag, Stunde für Stunde, Minute für Minute und Sekunde für Sekunde. Der Kalender beginnt bei uns mit dem 1. Januar und schließt mit dem 31. Dezember. Doch das Dramatische bei der ablaufenden Zeit unseres Lebens ist, dass jede Sekunde, jede Minute und jede Stunde, nie mehr wiederkehrt. Sie ist vorbei, davongeeilt. Die Zeit vergeht, was haben wir in ihr und mit ihr gemacht? Zerfasert, ignoriert, nur zu Geld gemacht, oder für die wesentlichen Inhalte des Lebens genutzt? Für die Liebe, für unsere Familie, für unseren Beruf, für die Welt um uns herum?

Kairos heißt das zweite griechische Wort im Neuen Testament. Es ist die „gefüllte Zeit“, die besondere Stunde, der rettende Zeitpunkt, den wir erleben. Der Kairos tritt zum Beispiel dann ein, wenn zwei Menschen ihre Liebe zueinander entdecken. Die Hochzeit nannten die Griechen wohl einen Kairos und die Geburt eines Kindes ist für die Mutter wie für den Vater und die Geschwister sozusagen „kairotisch“. Kairos – gefüllte Zeit, die Freude und Begeisterung , aber auch Leid und Kummer bedeuten kann.

Nach dem Lexikon und dem Neuen Testament will ich jetzt die Physik bemühen:

Viele Physiker haben sich mit dem Einfluss der Zeit auf den Raum befasst, allen voran Albert Einstein, der den Begriff der “Raumzeit” entwickelte. Danach ist die Zeit ebenso eine Dimension wie Länge, Breite und Höhe. Die Raumzeit hat also vier Dimensionen. Zeit ist jedoch eine besondere Dimension. Sie hat eine Eigenschaft, die dem Raum fehlt: Alles – Menschen, Tiere, Sterne, einfach alles, kann sich in ihr nur in einer Richtung bewegen: Richtung Zukunft. Eine Umkehr in die Vergangenheit oder ein Anhalten der Zeit sind ebenso unmöglich wie ein Springen in die Zukunft. Daraus folgt eine Gleichzeitigkeit: alles, was geschieht, geschieht jetzt, in der Gegenwart. Wir blicken auf die Vergangenheit zurück, die abgeschlossen und unabänderlich ist, auch wenn wir ihre Auswirkungen jetzt noch immer spüren. Die Zukunft ist für den Menschen unvorhersehbar, weil sie noch nicht geschehen ist. Die Zeit ist in der menschlichen Wahrnehmung wie in der Physik als Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend zur Zukunft hin beschreibbar.

Der Philosoph Augustinus, erklärt die Zeit so:

Was also ist die Zeit? Wenn mich niemand danach fragt, weiss ich es, wenn ich es aber einem Fragenden erklären sollte, weiss ich es nicht.

Diese berühmten Worte des spätantiken Philosophen bringen die Sache auf den Punkt: Wir alle besitzen zwar Uhren, auf denen wir die Zeit ablesen können, doch niemand von uns weiss, was wir da eigentlich ablesen. Augustinus macht kurzen Prozess. Er erklärt die Zeit zu einer blossen Illusion. Sie sei nämlich zusammengesetzt aus Zukunft, Gegenwart und Vergangenheit. Zeit gäbe es nur, weil die Zukunft zur Gegenwart und die Gegenwart zur Vergangenheit wird, kurz: Weil die Vergangenheit die Zukunft der Gegenwart ist, oder anders: das Heute das Gestern von morgen.

Nun aber kommt der Clou: Nach Augustinus gibt es weder Zukunft, noch Vergangenheit, noch Gegenwart. Denn das Zukünftige ist noch nicht, das Vergangene ist nicht mehr, und die Gegenwart ist eine blosse Grenze zwischen Zukunft und Vergangenheit: Sobald wir sie denken, ist sie bereits vorbei. Zeit ist nach Augustinus also ein unwirkliches Phantasiegebilde von uns Menschen.

Dennoch: Wir erkennen zwischen den Definitionen des Begriffes “Zeit” im Lexikon, im Neuen Testament, in der Physik und in der Philosophie durchaus deutliche Schnittstellen.

Wie gehen die Menschen im realen und praktischen Leben mit der Zeit um?

Unser Leben hat einen Anfang und ein Ende. Die Zeit dazwischen – unsere Lebenszeit – messen wir mit Zeit. In der Regel mit Jahren, Monaten, Wochen, Tagen, Stunden, Minuten und Sekunden. Der Mensch denkt sich selbst und seine Nachkommen und seine Umwelt in die zu erwartende Zeit hinein. Auf den Tag bezogen sind es in der profanen Welt vier Zeitabschnitte, in die wir unser Leben einbetten, einplanen oder einteilen: Morgen, Mittag, Abend und Nacht.

Im Laufe der Zeit haben sich feste Begriffe eingeprägt, die den Ablauf unseres Lebens bestimmen; es sind dies im Wesentlichen die Lebenszeit, die Arbeitszeit, die Ruhezeit und die Freizeit. Jeder Mensch hat dabei seinen eigenen Rhythmus und eine eigene Gewichtung gefunden. Die Frage, ob es immer erfüllte Zeit gewesen ist, wird jeder nur individuell für sich entscheiden können.

Uns Freimauerern sollte das Streben nach erfüllter Zeit leichter fallen, denn einer unserer Werkzeuge ist der 24 zöllige Maßstab. Er dient dazu, sich die Zeit mit Weisheit einzuteilen. Er symbolisiert die 24 Stunden des Tages, die nach alter Überlieferung her wie folgt verwendet werden sollten:

6 Stunden für Arbeit,
6 Stunden, um Gott zu dienen,
6 Stunden, um einem Bruder oder einem Freund zu dienen,
6 Stunden, um zu schlafen

Nun hat sich die Welt in den letzten 300 Jahren doch erheblich verändert, so dass diese klare zeitliche Einteilung in der heutigen Zeit nicht mehr umzusetzen ist. Aber wie kann der moderne Freimaurer seine Zeit sinnvoll aufteilen? Die Aufteilung in vier Blöcke ist geblieben – es sind dies folgende vier Bereiche

Arbeit,
Befriedigung sozialer Bedürfnisse,
Erholung und Regenerierung,
Spiritualität

Arbeit ist ein wichtiger Teil in unserem Leben. Für die Einen ist es Pflicht, für den Anderen Freude und Erfüllung. Sie gibt Struktur, fördert Lernen und Fähigkeiten und ermöglicht uns in Augenhöhe mit anderen am Gesellschaftsleben teilzunehmen. Die Befriedigung sozialer Bedürfnisse ist ein ganz wichtiger Teil unseres Lebens. Sie dient nicht nur dem Austausch, der Begegnung und der Kommunikation, sie sorgt nicht nur für gemeinsame Erlebnisse, sondern schafft auch Nähe, Geborgenheit, Liebe, Menschlichkeit, Verständnis und Brüderlichkeit.  Jeder Mensch hat seinen eigenen Schlafrhythmus; dem einen reichen 5 Stunden, der andere schläft regelmäßig seine 7 Stunden. Aber nicht nur Schlaf, sondern auch Ruhephasen – in welcher Form auch immer – dienen der Erholung und Regenerierung. Das Bedürfnis nach Erholung ist sicherlich auch abhängig vom Umfang der Belastung im Beruf und den Anstrengungen, denen sich der Mensch im Freizeitbereich unterwirft. Wer sich Zeit für Spiritualität nimmt und sich mit Neugierde auf die wichtigen Fragen des Lebens stürzt, wird Antworten finden, die ihm weiterhelfen, sein Leben sinnvoller zu gestalten. Das ist Nahrung für die Seele und den Geist und auch Nährboden für eine humanistische Lebenseinstellung.  Wie genau diese 4 Bereiche weise aufzuteilen sind, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Nach dem 24 zölligen Maßstab leite ich jetzt über zu den Zeiten im Ritual. Wenn wir als Freimaurer über Zeiten sprechen, stellen wir fest, dass die Zeiten im profanen Leben nicht deckungsgleich sind mit den Zeiten im Ritual. Die Zeiten stehen am Beginn und am Ende des Rituals, durchaus auch unterschiedlich, je nach Lehrart. Unterschiedlich ist von den “Stunden” die Rede oder von Mittag, Hochmittag und Hochmitternacht. Diese Begriffe sind nur eine Allegorie, welche unserem Ritual bei der Öffnung und Schließung eine Bedeutung geben.

Nun mutet es nach unserem Sprachgebrauch etwas eigentümlich an, Mittags mit der Arbeit zu beginnen. Wann ist Mittag? Und wann ist Hochmittag? Man muss wissen, dass die Einteilung des Tages in vier Zeiten schon bei den Juden vor Christus längst gebräuchlich war. Über die römischen Legionen gingen sie auf die Christen über und kamen so an die Mönchs- und Ritterorden des Mittelalters und schließlich auch in die Bauhütten. Der Mittag beginnt mit der ersten Stunde um 6.00 Uhr nach unserer Zeitrechnung. Die zweite Stunde nennt sich dann “Mittag gegen 1/3”, die dritte Stunde “Mittag und 1/3” bis hin zur 6, Stunde, die hieß dann Mittag gegen voll. Mit der siebenten Stunde begann um 12.00 Uhr Hochmittag, bis zur 12. Stunde um 17.00 Uhr unserer Zeitrechnung, das war dann “Hochmittag gegen voll”. Mit der 13. Stunde begann dann Mitternacht um 18.00 Uhr, mit der 19. Stunde um 24.00 Uhr Hochmitternacht. Soweit der Abgleich der 4 Logenzeiten mit den tatsächlichen Arbeitszeiten, damit es uns ein wenig leichter fällt, das einzuordnen.

Aber welche symbolische Bedeutung haben unsere maurerischen Zeiten? In unserem Ritual fragt der MvSt. den 1. Aufseher nach der Zeit, worauf dieser antwortet:”Es ist Mittag, ehrwürdiger Meister.” Mit dem folgenden Wechselgespräch, das an dieser Stelle nicht wiedergegeben werden kann, hat die symbolische Arbeit begonnen. Mit der Zuordnung der Worte “die rechte Zeit” an den Begriff “Hochmittag” wird diesem eine besondere Wertigkeit gegeben. Die Worte “die rechte Zeit” kommen aus dem griechischen Kairos – wie eingangs erwähnt – und sagen aus, dass jetzt etwas geschieht, was eine besondere Bedeutung enthält. Die rechte Zeit ist demnach nicht die uhrzeitgemäße Pünktlichkeit. Sie ist eine Umschreibung für eine Einmaligkeit des Geschehens, sie ist unwiederbringlich.

Hochmittag heißt es auch, weil die Loge nunmehr im hellsten Licht erleuchtet ist. Die uhrenkundige Tageszeit spielt während des Rituals keine Rolle. Der volle Schein des Lichtes umhüllt uns und in uns soll eine Ahnung vom wahren Sinn des Lebens aufgehen. Das Wort “Hoch” im Begriff “Hochmittag” soll keinen zeitlichen Rahmen setzen, sondern vielmehr im Sinne von “etwas Besonderes” , “vom Gewöhnlichen abweichend” ausdrücken. Der “Hochmittag” nach Öffnung der Loge kennzeichnet im Ritual die Bereitschaft der versammelten Brüder, die geistigen Kräfte in vollem Umfang der rituellen Arbeit am Tempel der Humanität zuzuwenden. In der Regel ist es die Zeichnung, die im Mittelpunkt der Arbeit steht und den Brüdern sowohl geistige Vertiefung als auch sittliche Veredelung anbieten soll.

Die Schließung der Loge beginnt mit dem Dialog zwischen dem MvSt. und dem 2. Aufseher: Es sind Fragen nach dem Alter des 2. Aufsehers, Fragen nach der Bezahlung für die Arbeit, Fragen, die die Arbeit und die Werkzeuge der Lehrlinge betreffen und Fragen nach dem Sinn unserer Arbeit. Es folgen auch hier Fragen nach der rituellen Zeit und im Anschluss verkündet der Meister vom Stuhl die Schließung der Zusammenkunft. Die (rituelle) Arbeit ruht jetzt. Wir prüfen unser Gewissen, ob wir winkelgerecht gearbeitet haben und unsere Pflicht erfüllt haben.

Der Meister entlässt uns von der Arbeit mit den Worten:

Geht nun zurück in die Welt meine Brüder und bewährt euch als Freimaurer. Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken, seid wachsam auf euch selbst. Es geschehe also, ziehet hin in Frieden.

Ich habe mich auf die Spuren der Zeit begeben – und ich bin fündig geworden. Ich habe eine Erkenntnis gewonnen, die mir noch nie so klar war: Zeit ist eines der wertvollsten Geschenke, die uns neben der Liebe und neben der Gesundheit gegeben ist. Es sind die herrschenden Denkgewohnheiten, die es uns schwer machen, dieses Geschenk der “Zeit” als eines der wertvollsten Gaben anzusehen. Wir müssen sehr behutsam und sehr überlegt mit ihr umgehen, denn verlorene Zeit kommt nie wieder zurück.

Der deutsche Philosoph Arthur Schopenhauer hat das sinngemäß einmal so ausgedrückt:

Solange wir jung sind, halten wir das Leben für endlos und gehen entsprechend mit der Zeit um. Je älter wir werden, desto mehr ökonomisieren wir unsere Zeit. Denn im späteren Alter erregt jeder verlebte Tag eine Empfindung wie bei einem Delinquenten, der zum Schafott geführt wird.

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