
Zurzeit wird die gesellschaftspolitische Debatte von einer Fülle von Zukunftsängsten dominiert, wobei neben dem Klimawandel auch das Stichwort „Digitalisierung“ die Gemüter bewegt.
Der Distrikt Hamburg hat sich in eingemischt, als Ideengeber und federführender Organisator des „Neujahrsempfangs“ am 2. September 2019, in Zusammenarbeit mit den Hamburg Logen sowie den VGLvD und der Großloge A.F.u.A.M.v.D., der Provinzialloge von Niedersachsen und der Großloge „Humanitas“. Als Festredner zum Thema „Verschwinden mit der Digitalisierung unsere Werte?“ konnte Prof. Dr. Michael Otto, Aufsichtsratsvorsitzender des Handelskonzerns Otto, gewonnen werden.
Der oft unterstellte Vorwurf, die Freimaurer würden sich nur mit sich selbst beschäftigen, wurde an diesem Abend eindrucksvoll widerlegt. Eine breite Öffentlichkeit und ein Fernsehteam von „Hamburg 1“ bekundeten neben vielen Zuhörern ihr Interesse an der Veranstaltung im Logenhaus der Provinzialloge von Niedersachsen.
Als dessen Hausherr begrüßte Br. Uwe Dörger alle Anwesenden im vollbesetzten Großen Mozart-Saal, ihnen voran den Festredner, den Großmeister der A.F.u.A.M.v.D., Br. Stephan Roth-Kleyer, den VGL-Großmeister, Br. Christoph Bosbach, und dessen Stellvertreter, Br. Bernd Brauer, sowie die Großmeisterin der Großloge „Humanitas“, Sr. Hanna Stadler-deCubas.
Distriktmeister Br. Thomas Stuwe erläuterte dem Auditorium den „Neujahrsempfang“ im September als „freimaurerische Zeitrechnung“, die auf das Ende des Maurjahres zu Johanni, am 24. Juni, und den Beginn des neuen Maurerjahres am 1. September zurückgeht, um sich dann der Persönlichkeit des Festredners, Prof. Dr. Michael Otto, zu widmen: „Ein Leuchtturm – las ich in der Vorbereitung über Ihr Unternehmen. Digitale Information sei wie Wasser, heißt es. Irgendwie sickert durch, welche Werte eine Firma vertritt“, richtete der Distriktmeister seine Worte an den Festredner und fügte zwei Zitate aus der Wirtschaftspresse hinzu: „Wir Menschen sind gefordert, die im Zeitalter der Aufklärung gewonnenen Erkenntnisse und Werte zu digitalisieren, wir brauchen neue Kompetenzen in allen Lebensbereichen.“ Sowie: „Durch Outsourcing und Digitalisierung gehen zunehmend Gemeinsamkeit und Vertrautheit verloren. Rituale helfen, die Gemeinschaft wieder zu stärken.“
Dies sei für einen Freimaurer-Empfang natürlich eine Steilvorlage. Schließlich sei die rituelle Arbeit unser „Unique Selling Point“, bekannte Br. Thomas Stuwe und fasste danach die Biografie von Prof. Otto in knappen Daten zusammen: Abitur, Banklehre, Studium der Volkswirtschaft, Promotion. 1971 Vorstand im Unternehmen des Vaters, von 1981 bis 2007 Leitung der „Otto Group“ als Vorstandsvorsitzender und bis heute Vorsitzender des Aufsichtsrates der Hamburger Handels- und Dienstleistungsgruppe Otto. Michael Otto ist Initiator und Vorsitzender des Freundeskreises der „Hochschule für bildende Künste“ Hamburg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender im Kulturkreis des BDI und Vorsitzender des Kuratoriums der „Werner Otto Stiftung für medizinische Forschung“. Für sein soziales und gesellschaftliches Engagement wurde Prof. Otto vielfach ausgezeichnet und ist seit 2013 Ehrenbürger der Hansestadt Hamburg.
In seiner freien Rede schilderte Prof. Otto die vielschichtige Entwicklung seines Familienunternehmens zu einem weltweit vernetzten Konzern auch mithilfe einer gezielten Digitalisierung auf allen Ebenen, deren Planung und Anwendung 25 Jahre in Anspruch genommen habe. Die „Otto-Group“ habe bei dieser gigantischen Umstellung eines traditionsbewussten Konzerns in das digitale Zeitalter geradezu unerforschtes Terrain betreten – mit allen Risiken, die eine Avantgarde eingehen muss. Die „Otto-Group“ stelle sich dabei der Herausforderung, eine Balance zwischen wirtschaftlicher Effizienz und sozialer Verantwortung und ökologischer Nachhaltigkeit zu gewährleisten: „Digitale Transformation ist mehr als die Einführung neuer Technologien und Investitionen in neue Geschäftsmodelle. Nur wer sie erfolgreich meistert, wird in 20 Jahren noch am Markt existieren. Dazu ist ein digitaler Kulturwandel notwendig. Erfolgreiche digitale Transformation setzt eine veränderte Haltung voraus. Das gemeinsame Mindset muss stimmen.“ Und „Für Unternehmen sind digitale Fähigkeiten und wertebezogenes Wirtschaften gleichermaßen entscheidend für den Erfolg der Zukunft.“ Doch bei aller innovativer Entwicklung sei es notwendig, kritisch zu überprüfen, ob der gesellschaftliche Wertekanon gewahrt bleibe, damit der Mensch den Zukunftsperspektiven nicht nur in der Arbeitswelt mit Zuversicht begegnen könne.
Diese Botschaft löste im Auditorium kräftigen Beifall aus und wies dem „Neujahrsempfang“ eine sinnstiftende Richtung zu. So fügten sich auch die Schlussworte von Sr. Hanna Stadler-deCubas zum Streben der Freimaurerei nach mitmenschlicher Wertschätzung und Empathie nahtlos ein.
Die musikalische Umrahmung besorgten in hinreißender Virtuosität die Kammermusikerin Sabine Grofmeier (Klarinette) und Br. Jean Panajotoff (Konzertflügel).