Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

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“Bruder Ben Hur” aus Paunzhausen

Kein Bruder hat vermutlich je als Kind davon geträumt Freimaurer zu werden. Aber Feuerwehrwehrmann, Astronaut, Cowboy … oder römischer Tribun! So wie Br. Hans Schaller (68). Er sah als Bub „Ben Hur“ auf der Leinwand und wünschte sich nichts sehnlicher als einen eigenen Streitwagen.

Gelesen von Arne Heger

Foto: © spaxlax / Adobe Stock

Heute knattert der Meister vom Stuhl der Ingolstädter Loge „Theodor zur festen Burg“ (No. 210) unter dem Kampfnamen „Schallus Brutalus Maximus“ in seiner eigenen Quadriga über die Straßen und Äcker von Paunzhausen. In dem 1500-Einwohner-Dorf bei Freising in Bayern gilt er als Original und man wundert sich längst nicht mehr über ihn und seine schrägen Hobbys.
„Ich habe etwa 80 Römerkostüme in meiner Sammlung“, berichtet Br. Hans.

Sein Streitwagen war jahrelang die Attraktion bei einem halben Dutzend Wagenrennen auf Trabrennbahnen – unter anderem in Pfaffenhofen, Magdeburg und Berlin. Gibt man bei YouTube den Suchbegriff „Ben Hur in Pfaffenhofen“ ein, findet man spektakuläre Videos davon. 10000 Besucher sahen das Rennen in Pfaffenhofen, bei dem 16 Quadrigas gegeneinander fuhren.
Die Rennen sind gefährlich, denn bei einer Quadriga werden vier Rösser nebeneinander eingespannt, die in der Spur gehalten werden müssen. Bruder Hans erzählt: „Ich habe selbst einmal einen schweren Unfall in einer Kurve erlebt, bei dem sich der Fahrer Arm und Fuß gebrochen hat, als der Wagen umkippte.“

Was fasziniert den Freimaurer „Schallus Maximus Brutalus“ am alten Rom?

„Das römische Imperium war eine Gemeinschaftsleistung, wie es auch eine Loge ist“, sagt er. „Selbst ein Sklave konnte die Bürgerrechte erhalten und hohe Ämter bekleiden.“
Wie etwa der freigelassene Narcissus, der es am Hofe von Kaiser Claudius († 54 n. Chr.) bis zum Kanzleichef und zu großer politischer Macht brachte.
Wieviel Rom steckt in unseren Ritualen?

Viele freimaurerische Traditionen haben ihre Wurzeln in der Renaissance (15./16. Jahrhundert), in der die Maler, Architekten, Philosophen und Mystiker das Wissen der griechischen und auch römischen Antike wiederentdeckten.
Bei den Römern (wie auch später bei den Freimaurern) war die Zahl 7 eine besondere. Sie stand für den Gott Neptun, Rom wurde auf sieben Hügeln erbaut und die Republik von sieben Königen erschaffen.
Br. Hannes Kohlmaier hat sich Gedanken gemacht und findet 7 Gründe, warum ihn unsere Freimaurer-Rituale an die Zeit des alten Roms erinnern:

1. Das freimaurerische Rosenfest

Auch die Römer konnten feiern. Vor allem ihre opulenten Rosenfeste. Um den Bedarf an Blüten für Dekoration und die Herstellung des Rosenöls zu decken, legten reiche Bürger riesige Rosenplantagen vor den Toren Roms an.

2. Das Gesetz

„Und das Gesetz nur kann uns Freiheit geben“, heißt es bei Goethe und in unseren Ritualtexten. Es waren die Römer, die 450 v. Chr. mit dem so genannten Zwölftafelgesetz den ersten verbindlichen Gesetzestext schufen. Zuvor waren streitende Parteien der willkürlichen Auslegung des Rechts durch Adel und Priester ausgeliefert.

3. Die Zahl 3

Für Aristoteles war alles Drei! Nach dem Universal-Gelehrten (ca. 350 v. Chr) gibt es drei Arten zu leben: Das Genussleben (Ziel = höchstmögliche Lust), das politische Leben (Ziel = Ehre), das theoretische Leben (Ziel = Erkenntnis).
Die Katholische Kirche übernahm später die antiken Vorstellungen (Trinitätslehre) ebenso wie christliche Mystiker, Kabbalisten, Alchimisten (Schwefel, Quecksilber, Salz), Anthroposophen (Leib, Seele, Geist). Und in der Freimaurerei sind es die drei Ideale (Weisheit, Stärke, Schönheit), die drei großen und kleinen Lichter, drei Rosen, die drei Schläge, usw. Aristoteles lässt grüßen.

4. Die Erhebung

Ceres ist der römische Name der Demeter. Und diese hatte eine Tochter, Proserpina (griech.: Persephone). Proserpina verkörpert die Idee der Wiederauferstehung.
Pluto entführte Proserpina in die Unterwelt, ihre Mutter handelte danach mit Proserpinas Vater, Jupiter, einen Deal aus: Dass ihre gemeinsame Tochter alljährlich für die Hälfte des Jahres aus dem Totenreich zur Mutter zurückkehren dürfe. Eine Allegorie für das Vergehen (im Herbst) und das Entstehen (im Frühjahr). Ideen-Lieferant für die Erhebung in den Meistergrad?

5. Das Geheimnis

Die Römer kannten mehrere geheime Mysterienkulte (u. a. Isis-, Mithras-, Dionysos-Kult), deren spirituelle Erfahrung nur Eingeweihte machen durften. Vorbild für das freimaurerische Arkanum, das so genannten Profanen vorenthalten bleiben soll? „Odi profanum vulgus et arceo“, schrieb Horaz (65–8 v. Chr.) in seinen Römeroden. „Ich hasse das gemeine Volk und halte es mir fern.“

6. Der Raue Stein

„Per aspera ad astra“, heißt es in einer Tragödie Senecas. Eine Übersetzung lautet: „Über raue Pfade gelangt man zu den Sternen“. Man fühlt sich an den Rauen Stein erinnert, der behauen werden muss, will man am Ende ans Licht gelangen.

7. Der Hinkende

Die gängige Erklärung, warum man den künftigen Lehrling derart präpariert, dass er sich nur humpelnd fortbewegen kann, hat mich nie überzeugt. Ich denke, die Szene aus dem Buch Rut („… so zog er seinen Schuh aus und gab ihn dem andern“) ist nicht beeindruckend genug, um sie in ein Ritual einzubauen.

Mir geht ein anderes Bild durch den Kopf, wenn der Neophyt in den Tempel schlurft: Eine Zeichnung aus dem 16. Jahrhundert, die Saturn mit einem Holzbein darstellt. Wie das? In dem Rosenkreuzer-Buch „Die Chymische Hochzeit“ findet sich eine Szene, in der Christian Rosencreutz im Traum eine Fußverletzung davongetragen haben soll.

Die Autorin Monika Hauf („Der Mythos der Rosenkreuzer“) erkennt darin den Gott Saturn, der in vielen alchimistischen Schriften hinkend – weil mit Holzbein – abgebildet wird. In der Alchemie wird Saturn mit dem Metall Blei in Verbindung gebracht, das am Anfang des Veredelungsprozesses (vom Blei zum Gold) steht. Könnte dies nicht den Zustand beschreiben, in dem sich der künftige Lehrling befindet?

Viele uralte mystische Vorstellungen sind heute nicht mehr bekannt. Da wir aber in den Ritualen „Formen streng übernahmen“, wie Br. Wolfgang Scherpe („Das Unbekannte im Ritual“, S. 147) feststellte, suchten die Freimaurer nach neuen Erklärungen. Vielleicht wurde so der heidnische Saturn irgendwann durch die Bibel ersetzt.

Kontakt zum Autor

Dieser Beitrag stammt aus dem Heft 2-2020 der HUMANITÄT, dem deutschen Freimaurer-Magazin. Das Heft kann bei der Kanzlei abonniert werden.