Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Bruderschaft in den Zeiten der Pandemie

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© anncapictures – pixabay.com

Bruderschaft in den Zeiten der Pandemie

Von B. Y.

Göttliche Schönheit, Weisheit, also insgesamt das Licht, ist ein Wertesystem, das wir methodisch erlernen, definieren und beleben müssen. Dazu benötigen wir allerdings viel Kraft und Liebe gepaart mit Vernunft und Tugend. Dies sind kraftgebende Symbole, die eine enorme reale Energie in sich tragen. Wir müssen sie ausfindig machen, um aus ihren Inhalten Erträge zu entnehmen und diese sowohl seelisch als auch realistisch betrachten. Ich gehe davon aus, dass uns allen klar ist, dass diese Symbolik im Kontext von Raum und Zeit sowohl in guten als auch in schlechten Zeiten gilt.

Es gibt ein altpersisches Sprichwort, welches besagt, wenn man die Schönheit von Pfauen sehen möchte, sollte man es schaffen, zu Fuß nach Indien zu gehen (früher galt der Pfau als Symbol der Mischung und des Einsatzes von Farben– sozusagen als Paradiesvogel).

Anhand einiger Metaphern werde ich nun versuchen, meine freimaurerische Sicht und meine Aufgaben in der Maurerei zu schildern:

Um meine Gedanken mit meinen Brüdern zu teilen und zugleich ein positives Feedback zu geben, benutze ich einige mythologische Schätze aus dem Osten bzw. aus meiner alten Heimat Iran. Die erste Metapher handelt von einer blinden Fledermaus, die sich auf die Reise macht, um das Licht zu finden. Diese Metapher entstammt der mystischen Welt des Ostens.

 

Das Spiel mit der Liebe kann bis in die Unendlichkeit dauern

 

Eine Fledermaus führte ein Selbstgespräch: „Ich kann kein Licht und keine Sonne sehen, weil ich blind bin. Und so fliege ich mit blinden Augen über Monate und Jahre, um das gelobte Land, oder anders ausgedrückt, um das Licht zu sehen.“

Ein beobachtender Vogel antwortete ihr: „Man könnte behaupten, dass du stur bist, du weißt doch, dass der Weg bis dahin tausende Jahre dauert. Wie soll da eine so verwirrte Persönlichkeit wie du das Ziel je erreichen? Was denkst du, wie lange es wohl dauert, bis eine Ameise vom Boden des tiefen Brunnens auf dem Mond landen kann?“

„Das macht mir nichts aus, ich werde dahin fliegen, was daraus wird, weiß ich nicht“, antwortete die Fledermaus.

Daraufhin flog die Fledermaus jahrelang wie eine Betrunkene, bis sie völlig erschöpft war. Letztendlich kam sie seelisch und körperlich ans Ende ihrer Kräfte und hörte auf weiterzufliegen. Denn da sie bisher keinen Hinweis auf die Sonne gefunden hatte, dachte sie, dass sie womöglich bereits an ihr vorbeigeflogen sei.

„Du kommst mir sehr verträumt vor. Da du die Sonne nicht getroffen hast, bedeutet das doch, dass du an ihr vorbeigeflogen bist und auch in Zukunft immer wieder an ihr vorbeifliegen wirst. Bedenke dabei auch, dass du im Vergleich zu der Entfernung, die dir noch bevorsteht, erst eine relativ kurze Strecke zurückgelegt hast“, erklärte ihr ein weiterer Vogel.

Aufgrund der Aussage des Vogels wurde die Fledermaus nachdenklich: „Ich denke, ich bin weit an ihr vorbeigeflogen und bin deshalb so müde und kraftlos.“

Zweifelnd schaute sie Richtung Sonne und schrie: „Liebe Sonne, vor dir siehst du eine Fledermaus, die auf dem Weg zu dir sehr viel gespürt und erfahren hat, deshalb werde ich weiterfliegen, auch wenn du sogar noch weiter weg bist als dort, wo man dich vermutet. Ich möchte mit meinen blinden Augen weitersuchen und die Süße des Weges zu dir tanzend erleben und spüren“.

 

„Erkenne dich Selbst“ ist für einen Freimaurer erst der Anfang des Weges, doch er wird kein irdisches Ende haben!

 

Der verborgene Pinsel der Schöpfung, der ein meisterliches Bild gemalt hat, liegt in einem weit entfernten Land, und jenen, die dieses Land erreichen wollen, kann die Königliche Kunst als Leuchtturm dienen. Das Licht bzw. den Palast des Baumeisters aller Welten, nach dem wir Freimaurer suchen, ist mit keiner Technik und keiner Wissenschaft zu berechnen. Es liegt jedoch auf der Hand, dass diese Bemühungen mit Tugendhaftigkeit verbunden sind und man viel an sich arbeiten muss.

Ich bin ein Freimaurer, dessen Lebenslauf, wie bei manch anderen Brüdern, Höhen und Tiefen hatte und hat. Anhand eines kleinen Segments versuche ich hier meine Sichtweise mithilfe meiner beruflichen Praxis zu verdeutlichen. Was meinen Lebensrhythmus betrifft, kann ich sagen, dass ich, wie sicher auch andere Brüder, seit Beginn der Pandemie beeinflusst wurde von Bedenken, Unsicherheit, dem Verlust der Kette der Brüder und der Sehnsucht nach dem Erlebnis der Rituale usw. Natürlich macht es mich traurig, dass viele Kinder, Jugendliche und Familien unter diesen Umständen psychisch leiden. Ich entnehme auch den Medien, dass viele Betriebe existenziell bedroht sind oder sogar pleitegehen.

Als Freimaurer habe ich mir daher die Frage gestellt, ob der 24-zöllige Maßstab nur für normale Zeiten gilt oder aber ein Werkzeug ist, das wir permanent aktiv an Zeit und Raum anpassen sollen? Ich frage mich, welche Rollen sollen Geduld und Ausdauer in meinem Leben spielen? Wie kann ich mir klarmachen, dass ich trotz großer Fortschritte akzeptieren sollte, dass es immer wieder Momente gibt, in denen Lösungen zu finden sehr schwierig und zeitaufwendig ist? Auch frage ich mich als Freimaurer: Was habe ich in diesen Zeiten für mich, meine Familie, meine lieben Brüder und Schwestern und für meine Nachbarn getan? Habe ich mich eventuell aktiver als in „normalen Zeiten“ in der Gemeinde und der Gesellschaft engagiert? Habe ich die Corona-Zeiten eventuell als eine Möglichkeit genutzt, mich mit den Dingen und Menschen zu beschäftigen, für die ich bisher zu wenig Zeit hatte?

Ich bin der Meinung, dass unsere Werkzeuge und Symbole humane und gesundheitliche Elemente in sich tragen und wir auf dieser Basis unsere Zeit und unser Leben besser organisieren können. Meines Erachtens sind solche und ähnliche Fragen Teil der Suche nach Licht und Weisheit. Ich denke manchmal, dass wir situationsbedingt zu stark auf die Wissenschaft setzen. Entwicklungsgeschichtlich bedingt erwarten wir, dass die Wissenschaften für alle auftretende Probleme jeglicher Art Lösungen anbieten sollen und können. Ich habe den Eindruck, dass die Turbulenzen in dieser Pandemie viele besonders schwer treffen, weil Corona nicht rechtzeitig vorhergesagt werden konnte und dementsprechend keine Lösungen angeboten werden konnten.

 

Wir sollten eines beachten: Wer einen wertvollen Schatz billig verkauft und diesen nochmals zurückbekommen möchte, muss das Mehrfache zahlen. Er darf sich aber nicht wundern, wenn er erfolglos ist und die Leute ihn merkwürdig beäugen!

 

Im alten Orient lebte ein berühmter Händler. Er hatte eine hübsche und schöne Dienerin mit zuckersüßen Lippen. Eines Tages verkaufte er sie ohne triftigen Grund auf dem Markt. Doch nach kurzer Zeit vermisste er sie sehr und stellte fest, dass er falsch gehandelt hatte und bedauerte sein Tun. Er entschloss sich, zum Käufer zu gehen und ihm sogar mehr Geld zu zahlen, als er ursprünglich von ihm bekommen hatte. Je mehr er aber auf die Rückgabe drängte, desto entschlossener wurde der Käufer, sie nicht zurückzugeben. Dennoch war der Händler daraufhin ständig zwischen seinem Heim und dem Haus des Käufers unterwegs und führte währenddessen Selbstgespräche. Er wiederholte wieder und wieder: „Wer so etwas getan hat, verdient es auch, ergebnislos von einer Tür zur anderen zu laufen. Wer aus Dummheit (Hemaghat) seine Geliebte so billig für Geld verkauft, hat es auch verdient, von anderen belächelt zu werden.“

 

Fazit

 

Aus Sicht der heutigen Wissenschaft können sich Systeme in Krisenzeiten weiterentwickeln und überleben, sofern sie als permanent lernende Systeme funktionieren. Wenn wir die Geschichte und den Werdegang der Freimaurerei als ein System betrachten, können wir sagen, dass Freimaurerei als lernendes System funktioniert. Diese Ansicht wird bestärkt, wenn wir auf die letzten 300 Jahre zurückschauen, in denen sehr viele Höhen und Tiefen vor unseren Brüdern lagen und diese gut und meisterhaft überwunden wurden.

Unser System hat natürlich auch Schwächen gezeigt und es gab Fehler, aber wichtig ist, dass wir heute ein ehrenhaftes Ergebnis vorliegen haben. Um das alles zusammenzufassen, kann man sagen, dass die großen Herausforderungen, die vor uns liegen (Digitalisierung, Globalisierung, Schnelllebigkeit) besser gestaltet werden können, wenn wir den Weg der Suche nach Schönheit und Stärke mithilfe von Weisheit bestreiten.

Als Freimaurer beschäftigen wir uns mit Themen wie Tag und Nacht, Sonne und Mond, Licht und Dunkel, Leben und Tod als das höchste Ereignis im Dasein eines Lebewesens. Ich habe mich gefragt, was wohl das Schlimmste ist, was mir in diesen Zeiten zustoßen könnte? Es ist sicherlich klar, dass der Tod die Antwort ist. Aber wir Freimaurer haben uns auch mit diesem Thema beschäftigt und man kann sagen, dass es nicht das Ende der Welt ist. Freimaurerei bzw. die Königliche Kunst ist eine reale Wegbeschreibung. Und das Gute daran ist, dass die Werkzeuge und Stationen zum großen Teil erkennbar sind. Für mich bedeutet die Lehre der Zeit, dass ich lernen muss, dass das Leben nicht kalkulierbar ist. Mir hat aber auch eingeleuchtet, dass man im Leben nicht immer rationale Antworten erhalten kann. Unsere goldene Symbolik ist: „Licht kommt aus dem Osten.“ Deshalb wäre es möglicherweise ratsam, die westlichen Wissenschaften intensiver mit der östlichen Mystik zu verbinden.

 

 

Der Autor ist Diplom-Sozialpädagoge und Sozialarbeiter, Systemischer Therapeut, Berater und Mediator. Er ist Mitglied der Loge „La Bonne Harmonie – Zur Buten Eintracht“ in Saarlouis. Sein vollständiger Name ist der Redaktion bekannt.