Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Das Judaskreuz

Empfehlen
Das Judaskreuz

Ein historischer Roman, in dem unter anderem ein Geheimbund vorkommt, der aber gar nichts mit Freimaurern zu tun hat.

Obwohl es gar nicht um Freimaurer geht, wird das Buch auf dieser Website besprochen, die sich ansonsten nur mit Büchern von oder über Freimaurer beschäftigt. Das ist beides nicht der Fall. Und dennoch findet sich hier eine Buchbesprechung. Wie das? Ein Zufall.

Der Reihe nach. William Boehart schickte seinen Erstlingsroman zur Rezension an die Redaktion. Normalerweise wäre sein Buch nicht gelesen worden, weil der Bezug zur Freimaurerei nicht eindeutig war. Da er aber auch eine Publikation über Lessing beilegte, die er gemeinsam mit Hamburger Freimauren geschrieben hatte und da in dem Buch eine Geheimgesellschaft vorkommen sollte, lag die Vermutung nahe, dass es doch irgendwie um Freimaurerei gehen könnte.

Beim Lesen wurde dann bald deutlich, dass nicht ein einziger Freimaurer vorkommen würde. Das war aber keineswegs eine Enttäuschung, denn die spannende Handlung und die flotte Sprache zogen mich schnell in den Bann. Und zumindest tauchten die Werte der Freimaurerei und der Aufklärung sehr bald in dem Buch auf. So gesehen also doch ein Roman, in dem sich der Freimaurer wiederfinden kann.

Worum geht es? Es ist ein historischer Roman, den Boehart mit einem spannenden Kriminalfall und, natürlich, mit einer romantischen Liebesgeschichte verbindet. Die Handlung spielt im Jahre 1879 im schleswig-holsteinischen Mölln, bekannt als Eulenspiegel-Stadt, im Herzogtum Lauenburg und in Hamburg. An einem halbfertigen Kriegerdenkmal auf dem Möllner Marktplatz findet sich ein Toter, erwürgt, aber mit einem Dolch im Rücken. Hier taucht zum ersten Mal ein kleiner Anhänger mit einem Zeichen auf, einem Judaskreuz. Den Kommissar führt schon bald die Spur nach Hamburg, wo er auf einen antisemitischen Geheimbund stößt, gleichzeitig tief verstrickt in Grundstückspekulationen, Bestechung, Indiskretionen bis hinauf in den Hamburger Senat. Eine politisch und moralisch durch und durch verdorbene Gesellschaft, die skrupellos über Leichen und Ihresgleichen geht.

Viele haben Angst vor dem Neuen, dem Ungewohnten, dem Fremden. Unsere Gesellschaft wird neu gemischt, wie ein Kartendeck, und dass auch Juden dabei mitunter oben landen, passt denen nicht, die vielleicht etwas verloren haben oder zumindest das Gefühl haben, dass ihnen mehr zustünde. Diese Verlierer brauchen einen Sündenbock."

Aber es tauchen auch Helden auf, zunächst undurchsichtige, teilweise tragische Personen, Advokaten, Schriftsteller, Künstler, Kaufleute, die für das Nachdenkliche, mitunter das Gute stehen. Gelenkt von den politischen Entwicklungen im Land, aber auch getrieben von Rachsucht und Machthunger, von Liebe und Tatendrang, geraten die Akteure dieser unheilvollen Vorgänge in ein Netz aus Verstrickungen. Diese reichen weit in die Vergangenheit, bis zur gescheiterten Revolution 1848 zurück. Lessing, schon damals ein junger Klassiker, spielt eine wichtige Rolle, was nicht verwunderlich ist, hat doch der Autor über den Aufklärer (und Freimaurer) Gotthold Ephraim Lessing promoviert. Lessings Gedanken über Toleranz und Religion ziehen sich wie ein roter Faden durch das ganze Buch.

Es gibt Kräfte, die die neuen Möglichkeiten der Druckpresse und der Mobilität der Eisenbahn nutzen, um aus Ängsten, uralten Vorurteilen und dem Unwissen vieler Menschen eine Bewegung zu schmieden. Das sind die Rattenfänger. Sie benutzen nur keine Flöte mehr, sondern zum Beispiel Flugblätter. Wir erleben ein Zeitalter der Demagogen, die nach Macht lechzen.

Es ist der erste Roman des “jungen” Autors, der nach seiner Pensionierung mit dem Schreiben begonnen hat. Es gibt nur sehr wenige Stellen, an denen man das Erstlingswerk merken würde. Im Gegenteil hat Boehart einen außerordentlich dichten und komplexen Roman geschrieben, der eine spannende Handlung mit den Nachwirkungen der gescheiterten Revolution von 1848 verbindet, mit dem wieder aufkeimendem Antisemitismus, mit den Werten der Aufklärung – und historischen Fakten. Geradezu beängstigend sind die Parallelen zur Gegenwart, wenn Boehart beschreibt, wie Populismus auch damals schon funktioniert hat. Was früher Druckpresse und Flugblätter waren, sind heute Facebook und vk. Wofür man früher Hinterzimmer und Geheimbünde hatte, reichen heute Echokammern und Chatrooms.

Solcherart Romane nennt man heute auch “Historische Fiktion”. Das wäre dem Autor sicherlich nicht recht. Beim Hausbesuch erklärt der Historiker, dass er sich penibel an historischen Begebenheiten orientiert hat und entschuldigt sich beinahe dafür, an wenigen Punkten nicht die geschichtlichen Fakten verzerrt, sondern ihre Reihenfolge leicht ändern zu müssen, um sie für seine Geschichte tauglich zu machen. Das sei aber auch alles.

Keine Freimaurerei im Buch, aber ihre Werte in ganzer Bandbreite und eine spannende und kurzweilige Geschichte dazu. Über üppige 500 Seiten kommt daher keine Langeweile auf.

William Boehart, “Das Judaskreuz”, erschienen im Osburg-Verlag, 500 Seiten, ISBN 978-3955101695, 22,00 Euro Gebundenes Buch, 12,99 Euro als Kindle.

Der Autor steht übrigens Freimaurerlogen gerne für eine Lesung zur Verfügung.