Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Die verlorene Dankbarkeit

Empfehlen

hakase420 / Adobe Stock

Schon Philosophen, Schriftsteller und Großmütter empfehlen uns, dankbar zu sein, das Positive zu sehen und abends den Tag mit einem positiven Rückblick ausklingen zu lassen.

Ein Kommentar von Gerd Carlson

Was ist denn eigentlich Dankbarkeit? Nach allgemeiner Definition versteht man darunter ein positives Gefühl, das die Anerkennung einer materiellen oder auch immateriellen Zuwendung ausdrückt, die man erhalten hat.

Ich möchte zwar alle Tugenden haben, doch nichts wünsche ich mir mehr, als dankbar zu sein und diesen Eindruck auch nach außen hin zu erwecken. Diese Tugend ist nicht nur die höchste. Sie ist sogar die Mutter aller Tugenden.

Dankbarkeit ist eine echte Lebenshilfe und eine Liebeserklärung an das Leben, so eigenartig es sich anhört. Warum? Dankbarkeit ist eines der vielen Schlüssel zum Glück und zu einem erfüllten Leben.

Wir können dankbar sein, dass wir sehen, hören, riechen, schmecken und tasten können, also die fünf menschlichen Sinne wahrnehmen können.

Wir alle haben im täglichen Leben Begegnungen mit Menschen, die Einschränkungen unterschiedlicher Prägung haben: Blinde, Taube und Menschen, die mit Störungen bei den menschlichen Sinnen leben müssen. Sind wir uns immer bewusst, welch ein großes Geschenk es ist, wenn wir unsere Sinne uneingeschränkt nutzen können?

Wir können dankbar sein, dass wir immer genügend zu essen und genügend Wasser zu trinken haben.

Es sind gerade einmal 70 Jahre her, dass Millionen von Menschen in Deutschland nach dem furchtbaren Krieg Hunger leiden mussten. Im Hungerwinter 1946/47 mussten zigtausende Menschen ihr Leben lassen sie hatten nicht genug zu essen und waren verhungert. Und heute? Nach einer aktuellen Studie wirft jeder Bundesbürger im Durchschnitt pro Jahr 82 Kilogramm Lebensmittel weg. Müssten wir uns dafür nicht schämen?

In einer Pressenotiz des STADER TAGEBLATT vom 23. März 2017 hieß es, dass aktuell 20 Millionen Menschen im Südsudan, in Somalia, Nigeria und dem Jemen vom Hungertod bedroht sind. Teilweise hat es dort seit drei Jahren nicht mehr geregnet. Und wir sehen die Bilder vom Elend dieser Menschen fast jeden Tag in den Medien. Bewirken diese Bilder und Informationen noch etwas in uns, die wir auf der Sonnenseite des Lebens wohnen? Und neben diesen 20 Millionen vom Hungertod bedrohten Menschen haben knapp 800 Millionen Menschen auf dieser Welt nicht genug zu essen.

Wir können dankbar sein, dass wir und unsere Familie gesund sind.

Wir alle kennen in unserem persönlichen oder beruflichen Umfeld Menschen, die mit gesundheitlichen Einschränkungen, ja zum Teil mit chronischen oder sogar schweren Erkrankungen leben müssen. Sind wir uns immer bewusst, welch ein großes Geschenk unser gesunder Körper ist?

Wir können dankbar sein, dass wir in unserem Land so eine gute medizinische Versorgung haben.

Deutschlands Gesundheitssystem gehört zu den besten in Europa. Das ist das Ergebnis einer großen internationalen Vergleichsstudie unter 35 europäischen Volkswirtschaften. Und dennoch hören wir häufig kritische Äußerungen der Unzufriedenheit, von viel zu langen Wartezeiten in den Wartezimmern bis hin zu medizinischen Unterversorgungen in ländlichen Bereichen. Wenn wir im Medium Fernsehen Berichte über andere Länder und deren medizinische Versorgung sehen, muss uns ganz schnell klar werden, in welchem Paradies wir leben

Wir können dankbar sein, dass wir in einem Land leben, in dem Frieden herrscht. Der frühere Bundespräsident Gauck sagte in seiner Abschiedsrede über Deutschland: Es ist das das beste, das demokratischste Deutschland, das wir jemals hatten.

Und dennoch gibt es Menschen in unserem Land, die die Demokratie mit Füßen treten, sie sogar verhöhnen.

Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hatte  in seiner ersten kleinen Ansprache das Thema „Freiheit und Demokratie“ schon als prägend für seiner Präsidentschaft intoniert. Von „Freiheit und Demokratie in einem vereinten Europa“ hatte er gesprochen und auch daran appelliert, das politische Interesse der Menschen nicht durch „Gleichgültigkeit, Trägheit und Teilnahmslosigkeit“ zerstören zu lassen, sondern gegen beides anzugehen im Bewusstsein, dass Demokratie zwar „eine anstrengende Staatsform“ sei – aber auch „die einzige Staatsform, die Fehler erlaubt, weil die Korrekturfähigkeit mit eingebaut ist“.

Wer für sich beanspruche, „das Volk“ zu sein und allein zu vertreten, irre fundamental, so Steinmeier, denn: „In der Demokratie tritt das Volk nur im Plural auf, und es hat viele Stimmen.“ Und also: „Wo immer solche Art von Populismus sich breit macht – da lassen Sie uns vielstimmig dagegenhalten.“ 

Ein paar Tausend Wirrköpfe, die unsere freiheitlich demokratische Grundordnung mit Füßen treten, aber Schmarotzer unseres Sozialsystems sind, müssen wir – so weh es auch tut – ertragen. Diese Menschen haben ihre Dankbarkeit schon längst verloren. 

Unser Land hat ein Wohlstandsniveau erreicht, das in der deutschen Geschichte einmalig ist. Die Lebenserwartung war nie höher, die medizinische Versorgung nie besser, der Zugang zu Bildung nie umfassender, der gesetzlich garantierte Urlaub nie länger, die Arbeitszeit nie kürzer. Was immer man von der Politik der jeweiligen Regierung hält, man muss zugeben, dass das Land ordentlich verwaltet wird.

Wir haben allen Grund, dafür dankbar zu sein.

Wir können dankbar sein, dass wir in einer stabilen Partnerschaft leben.

Natürlich hat jeder seinen Teil dazu beizutragen. Aber das Statistische Bundesamt hat mitgeteilt, dass jede dritte Ehe geschieden wird – im Durchschnitt nach 14,5 Jahren. Die Feste der Silbernen oder gar Goldenen Hochzeit sind zwar kein Auslaufmodell, aber sie werden zunehmend seltener. Umso mehr muss man sich glücklich schätzen, wenn die Ehe oder Partnerschaft lange Jahre Bestand hat. 

Die Reihe der Dinge, für die wir dankbar sein können, ließe sich beliebig fortsetzen, aber die wichtigsten habe ich hier genannt. Wenn wir uns bewusst daran erinnern, wofür wir dankbar sein können, dann macht sich ein tiefes Gefühl der Befriedigung, der Zufriedenheit und der Freude in uns breit.

Lange wurde die Wirksamkeit von Dankbarkeit unterschätzt. Sie galt als altbackene Tugend, bestenfalls als Zeichen einer guten Kinderstube. Die Eigenschaft unserer Gefühle ist, dass manche davon nicht vereinbar sind. Wir können uns zum Beispiel nicht gleichzeitig wütend und glücklich fühlen. Dankbarkeit ist ein effektives Gegenmittel für negative Gefühle wie zum Beispiel Ärger, Neid, Feindseligkeit, Groll und Sorge. Und deshalb ist es überhaupt nicht „altmodisch“, Gelegenheiten für das Gefühl der Dankbarkeit im Alltag zu finden.

Die Forschung hat sich dieses Themas angenommen und herausgefunden, dass dankbare Menschen gesünder, ausgeglichener und entspannter sind als Nörgler. Wenn negative Emotionen Körper und Geist immer wieder schwächen, haben psychische Störungen ein leichtes Spiel. Auch hier wirkt Dankbarkeit Wunder. So fanden Psychologen heraus, dass Dankbarkeit vor Depressionen und Angststörungen schützt. Die verschiedenen Forscherteams haben herausgefunden, dass Dankbarkeit hilft, unsere Gesundheit, unser Wohlbehalten und die seelische Abwehrkraft zu stärken und dass Dankbarkeit sogar die Heilung von Krankheiten begünstigt.

Wir erkennen also, dass Dankbarkeit eine große Rolle spielt – aber sie ist ein rares Gut. Die Floskel „Dankeschön“ ist zwar weit verbreitet, doch wie weit reicht die Dankbarkeit wirklich?

Die Dankbarkeit hat einen mächtigen Gegner: Die Selbstverständlichkeit.

“Die Fähigkeit des modernen Menschen, unglücklich und unzufrieden zu sein, ist unbegrenzt.“ – hat der ehemalige Oberbürgermeister von Stuttgart, Manfred Rommel, gesagt. Oftmals hat man den Eindruck, die Deutschen streben diesbezüglich auf den Weltmeistertitel, obwohl sie allen Grund hätten, dankbar und zufrieden zu sein und die folgenden Dinge nicht als selbstverständlich zu sehen:

Freie und stabile politische Verhältnisse, geordnete Sozialsysteme, Wohlstand, schönes Wetter, beste klimatische Verhältnisse, gutes Essen, freundliche Mitmenschen, nette Nachbarn und glückliche Zufälle gehen im Alltagtrott schnell unter, wenn man sie nicht als besonderes Geschenk verinnerlicht. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns diese vermeintlichen Selbstverständlichkeiten bewusst machen – durch kleine und wiederholdende Übungen im Alltag. Forscher haben herausgefunden, dass sogenannte Dankbarkeitsübungen das Glücksniveau um 25% angehoben haben. Diese Dankbarkeitsübungen sind so einfach: Vor dem Schlafengehen denkt man über den abgelaufenen Tag nach und lässt im Geiste die Dinge an sich vorüberziehen, für die man dankbar war: das besondere Mittagessen, das lange Gespräch mit dem Freund, das frühe Blühen der Zaubernuss im März, die ersten warmen Sonnenstrahlen, die gemeinsamen Stunden mit dem Enkelkind, das harmonische Miteinander mit dem Partner bzw. der Partnerin und vieles andere mehr. Solche Gedankengänge und Dankbarkeitsübungen lassen uns nicht nur besser einschlafen, sondern sie stärken – durch Forschungen belegt – unseren physischen und psychischen Gesundheitszustand.

Dankbarkeit kann das Leben also leichter machen. Und – Dankbarkeit ist nicht abhängig von den Umständen, in denen man lebt, sondern Dankbarkeit ist eine Frage der Einstellung.

Nicht die Glücklichen sind dankbar. Es sind die Dankbaren, die glücklich sind.

Kommentare stellen die Meinung des Verfassers dar, nicht zwingend die der Großloge oder der Mehrheit der Bruderschaft. Sie sollen die Vielfalt der Anschauungen in der humanitären Freimaurerei darstellen.

Wenn Sie eine andere Meinung haben und vertreten möchten, senden Sie uns Ihren Beitrag.

Kontakt zur Redaktion