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„Durch keine Gewalt kann der Orden gestürzt werden“

© anncapictures – pixabay.com

Von Bastian Salier


Vor 300 Jahren wurde Karl Gotthelf, Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau, geboren

Am 11. September 1722 wurde Karl Gotthelf, Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau, in der Oberlausitz geboren. Genauer auf der Gutssiedlung Unwürde, seit einem guten Jahrhundert im Besitz der schlesischen Familie. Der Vater war früh verstorben, das Erbe dem jungen Karl Gotthelf, der jedoch noch unter Vormundschaft stand, zugefallen. Seine beiden älteren Geschwister überlebten das Kindesalter nicht, so dass ihm die Aufrechterhaltung der Linie zukam.
Nach einem zweijährigen Studium in Leipzig ging Hund auf Reisen, die ihn auch, anlässlich der Kaiserkrönung Karls VII., 1741 nach Frankfurt am Main führten. In der dortigen Loge wurde er in den Freimaurerbund aufgenommen. Bereits zwei Jahre darauf leitete er eine Loge in Paris und erklärte später, er sei 1742 in Paris von schottischen Rittern in den „Orden der Tempelherren“ aufgenommen und dem englischen Thronprätendenten Charles Edward Stuart als Großmeister des angeblich wiedererweckten Templerordens vorgestellt worden. Eine Legende, deren Beweis er zeitlebens schuldig blieb. Auch sei er von „Unbekannten Oberen“ als „Heermeister“ der VII. Ordensprovinz eingesetzt worden. Jene „Unbekannten Oberen“ und seine Schweigepflicht diesen gegenüber mussten jedes Mal dann als Alibi herhalten, wenn jemand genauer nachzufragen drohte. Ein von ihm vorgelegtes „Heermeisterpatent“ konnte bis heute nicht dechiffriert werden. Seine überlieferten Tagebuchaufzeichnungen geben ebenfalls keine Auskünfte über seine Verwicklungen in den angeblichen französischen Tempelherrenorden.

Zurückgekehrt nach Deutschland, wo er das neben seinem Geburtsort gelegene Gut Kittlitz übernahm und darauf ein Schloss errichtete, widmete er sich nun voll und ganz der Ausgestaltung der VII. Ordensprovinz. Er nahm die Sache selbst in die Hand, nachdem er sich von den „Geheimen Oberen“ im Stich gelassen fühlte. Sprich: Er versuchte mehrfach erfolglos Kontakt zum Hof des englischen Thronprätendenten aufzunehmen. Von Hund gründete daraufhin den Ritus der „Strikten Observanz“ und gliederte ihn in die Freimaurerei ein. Auf Gut Unwürde gründete er ein Ordenskapitel mit dem Namen „Zu den drei Säulen“ und versuchte im Laufe der Zeit Mitglieder zu gewinnen, die einen möglichst hohen Stand innehatten, also damit auch über entsprechendes Vermögen verfügten. Die Anhänger der „Strikten Observanz“ gaben sich fantasievolle Ritternamen. Hund selbst bezeichnete sich als „Carolus eques ab Ense“ und „Chevalier de’l epèe“.

Das Hochgradsystem der „Strikten Observanz“ war eine Zeitlang höchst erfolgreich. Zahlreiche Logen in ganz Europa unterwarfen sich dem System. Die Hinwendung zum Altertum war in Mode und so ist es nicht verwunderlich, dass ritterliche Tugenden und Legenden aus der Zeit des Hochmittelalters eine große Anziehungskraft besaßen. Die „freimaurerischen Templer“ gelten als eine reine Erfindung von Hunds, wenngleich es bis heute zahlreiche Versuche gibt, die Entstehung der Freimaurerei auf den 1312 zerschlagenen Orden der Tempelritter zurückzuführen.

Nach einer Zeit der Blüte kam es schließlich aufgrund von Betrügereien innerhalb des Ordens und Vorwürfen gegen den inzwischen verstorbenen Gründer zum Zerfall der „Strikten Observanz“. Auf dem legendären „Wilhelmsbader Konvent“ von 1782 einigten sich die Teilnehmer, die Templerlegende als Gründungsmythos der Freimaurerei fallen zu lassen, woraufhin die „Strikte Observanz“ als Ritus an Attraktivität und Einfluss verlor.

War nun der Reichsfreiherr von Hund ein Scharlatan, der sich vor allem selbst bereichern wollte? Die freimaurerische Geschichtsschreibung spricht ihm vor allem eine lautere Gesinnung zu. So sei er eher ein leicht beinflussbarer „Überzeugungstäter“ gewesen. Jemand, der Zeit, Geld und fast seinen gesamten Grundbesitz an seine fixe Idee opferte. Bereichert hat er sich nicht, das haben wohl vielmehr andere an ihm.

Im Jahre 1776 war Hund — obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits sehr erkrankt — in die thüringische Residenzstadt Meiningen gereist, um den dortigen Herzog Friedrich August persönlich in die „Strikte Observanz“ aufzunehmen. Kurze Zeit darauf starb Reichsfreiherr von Hund und Altengrotkau gerade 54-jährig und wurde in seinem Heermeisterornat im nahegelegenen Mellrichstadt in Unterfranken beigesetzt. Sein Ordensring trug die Initialen „N.V.I.O.“ (nulla vi invertur ordo): „Durch keine Gewalt kann der Orden gestürzt werden.“

Dieser Beitrag stammt aus dem Heft 6-2022 der HUMANITÄT, dem deutschen Freimaurer-Magazin. Das Heft kann bei der Kanzlei abonniert werden.