Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Ein “Digital Native” über digitale Bruderabende

Empfehlen
Virtual talking with friends, colleague and using video chat conference. Remote learning or work. Home quarantine or prevention of coronavirus infection (virus covid-19). Group of people smart working

Foto: © REDPIXEL / Adobe Stock

Corona trifft die Freimaurerei in Deutschland ins Mark – die üblichen Logenabende sind nicht mehr möglich. In vielen, wenn nicht gar allen, Logen wurden die Bruderabende in die digitale Welt verlegt. Und als digital Native jubiliere ich, sollte man denken.

Computer, Internet, Smartphones und Co gehören zu meinem Leben, seit der C64 ins Spielzimmer eingezogen ist. Auch beruflich hat es mich in die digitale Welt verschlagen – Online-Marketing. Von Google über Twitter bis zu Facebook sind mir alle Plattformen ständige Begleiter. Seit März – also über 12 Wochen – auch in der Loge. Am Mittwoch wäre unser Johannisfest gewesen. Wenn es dieses Virus nicht gäbe, hätten wir eine wundervolle Arbeit gehabt und danach eine schöne Tafel. Wir hätten Freunde und alte Bekannte getroffen. Wir hätten gemeinsam angestoßen und uns gefreut, dass wir uns alle sehen und diskutieren können. Aber das ist dieses Virus.

Das Leben hat sich verändert

Ich selbst habe in meiner Loge an nur einem digitalen Bruderabend teilgenommen. Und dafür gab es Gründe. Denn in den letzten Wochen wurde auch mein Terminplan gehörig durcheinandergebracht. Meine Ehrenämter in der Politik haben mehr Zeit benötigt als gedacht. Kein Wunder, wenn das Hauptthema die Gesundheitspolitik ist. Risikoberichte, Anträge, Statusupdates. Viel zu lesen. Dazu noch Abstimmungen, Absprachen, Fraktionssitzungen, Vorstandssitzungen per Videokonferenz. Aufgrund von Corona ist nahezu der komplette politische Alltag ins Digitale gezogen. Etwas, was ich mir früher gewünscht hätte – zumindest in Teilen. Ich hoffe, dass einiges bleiben wird.

Beruflich sieht es kaum anders aus. Als Online-Marketing-Manager in einem mittelständischen IT-Unternehmen waren mir Videokonferenzen nie fremd. In der Rückbetrachtung muss man aber sagen: Eigentlich war die Arbeit immer sehr persönlich. Videokonferenzen waren die Ausnahme. Seit es Corona und die Kontaktbeschränkungen gibt, hat sich das geändert. Von 250 Mitarbeitern sind zeitweise über 200 im Home-Office. Das bringt einige Herausforderungen mit sich. Hat man sich früher noch kurz im Büro besucht oder ein kurzes Meeting gemacht, so ist hier jetzt nahezu 100 % der Kommunikation auf Video umgestellt.

Und das Privatleben? Auch da hat sich einiges geändert. Meine Frau und ich haben versetzte Arbeitszeiten. Während sie früher anfängt und meistens gegen 15 Uhr schon zu Hause ist, beginne ich später und bin erst gegen 17 Uhr oder später daheim. Gibt es politische Termine, wird es meist noch später. Für uns ist das in Ordnung – so hat auch jeder seine Zeit für sich im Haus. Doch jetzt ist das anders – zuerst beide im Home-Office. 24 Stunden am Tag zusammen sein. Seien wir ehrlich: Das ist eine Bewährungsprobe für jede Beziehung, jede Ehe. Dann konnte meine Frau wieder auf die Arbeit gehen. Aber ab 15 Uhr waren wir wieder gemeinsam zu Hause. Deshalb haben wir die Zeit sinnvoll genutzt. Ich habe meine Arbeit unterbrochen – was dank sehr flexibler Arbeitszeitregelung möglich ist – und wir haben Unternehmungen und Besorgungen gemacht. Wenn meine Frau schlafen ging, habe ich weitergearbeitet. Meistens noch ein, zwei oder drei Stunden am Abend.

Beruflich und privat hat sich die Kommunikation fast ausschließlich aufs Digitale verlegt. Der Tagesrhythmus ist kräftig durcheinandergeraten. Was hat das mit meinem Logenleben zu tun? Kommen wir also zur Freimaurerei.

Digitale Freimaurerei für einen Digital Native?

Für mich ist die Freimaurerei ein besonderer Teil meines Lebens geworden. Seit meinem ersten Besuch in der Loge als Gast war mir klar: Das hier ist großartiges und interessantes. Vor allem etwas Anderes. Für mich ist die Freimaurerei eben was anderes als „digital“. Das verwundert, da ich mich selbst als Digital Native bezeichne. Freimaurerei ist für mich Ausgleich zum Alltag. Einmal in der Woche ein kurzer Urlaub vom hektischen Alltag. Egal ob Tempelarbeit oder Bruderabend: Andere Themen, andere Menschen und andere Gespräche und Sichtweisen. Der Mittwochabend ist bei mir fest eingeplant, um mich mit meinen Brüdern zu treffen. Dafür habe ich in der Vergangenheit jeden anderen Termin strikt abgelehnt. Mir ist der Logenabend heilig, denn er ist für mich was Besonderes.

Doch leider musste ich feststellen, dass digitale Bruderabende mir diesen Ausgleich, diesen Kontrapunkt zum Alltag nicht bieten können. Für mich fehlt die brüderliche Verbundenheit, wenn ich auf einen Bildschirm blicke. Insbesondere, weil ein Alltag noch mehr als sonst davon geprägt ist. In den letzten Wochen habe ich die Zeit genutzt und intensiv unsere Rituale und Bücher zur Freimaurerei gelesen. Das hat mir zumindest ein wenig Abwechslung vom Alltag beschert.

Seid nachsichtig

Diesen Text habe ich in ähnlicher Form auch meinen Brüdern geschrieben – digital über unsere WhatsApp Gruppe. Es war mir ein Bedürfnis, dass meine Brüder verstehen, warum ich mich rar gemacht habe in den letzten Wochen. Denn ich schaue ihnen lieber persönlich in die Augen als durch eine Kamera. Aber warum schreibe ich diesen Text für Medien der Großloge? Wie in einer Zeichnung möchte ich diesen Text mit einer Aufforderung verbinden: Seid nachsichtig. Seid nachsichtig mit Brüdern, für die digitale Bruderabende nichts sind. Wenn Brüder nicht an Videokonferenzen der Loge teilnehmen, dann haben sie sicherlich gute Gründe dafür. Macht ihnen keinen Vorwurf, versucht ihre Beweggründe zu verstehen und verurteilt sie nicht.

Und vielleicht ruft ihr diesen Bruder einfach einmal an und ladet ihn zum Kaffee ein – denn das ist ja zum Glück wieder möglich. Aber denkt dran: Auch mit Abstand sind wir brüderlich Verbunden.

Leserbriefe

Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wenn Sie einen Leserbrief schreiben wollen, verwenden Sie das Formular “Kontakt zur Redaktion”. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Wie behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.