Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

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Ein Logenhaus verschwindet

Im Dezember 2019 begann der Abriss des ehemaligen Logenhauses der Loge „Zum treuen Bruderherzen“ im sächsischen Annaberg-Buchholz. Eine Rettung des altehrwürdigen Hauses war nach über 10 Jahren des Leerstands nicht mehr möglich. Es war eins von drei als Logenhäuser erbauten Gebäuden im Erzgebirge und meine erste Begegnung mit der königlichen Kunst.

Gelesen von Arne Heger

Foto: © spaxlax / Adobe Stock

Die Geschichte der Annaberger Loge begann im September 1851, als sich sechs zumeist der Loge „Archimedes zum sächsischen Bunde“ im Orient Schneeberg angehörende Brüder hier erstmals versammelten. Bald nahmen auch Brüder von auswärts an den Arbeiten teil. Am 2. April 1852 konstituiert sich zunächst ein freimaurischer Klub. Gründungsmitglieder sind: August Jacowasch (Pensionär, Dresden), Eduard Hasper (Buchdruckereibesitzer, Annaberg), Ferdinand v. Lindenau (Pastor, Arnsfeld), Ferdinand Lipfert (Kaufmann, Annaberg), Friedrich Lösche (Kaufmann, Buchholz) und Friedrich Müller (Obersteiger, Raschau). Die Mitglieder des Klubs und später auch der Loge treffen sich im „Café Central“ (heute Teil der „Manufaktur der Träume“), im Hotel „Wilder Mann“, in der Villa „Daheim“ und in „Bahl‘s Restaurant“.

Das am 30. April 1854 beantragte Konstitutionspatent der Großen Landesloge von Sachsen lässt nicht lang auf sich warten und am 18. März 1855 wird die Loge „Zum treuen Bruderherzen“ im Orient Annaberg als 26. Tochterloge ins Leben gerufen.

Von Anbeginn an führt man eine Armen- und Unterstützungskasse. Beiträge fließen auch an das Marienstift der Stadt sowie an arme Familien und Not leidende Menschen sowie die Taubstummenspeisung.
Um endlich feste Räumlichkeiten für die Tempelarbeiten zu schaffen, kaufen die Brüder am 20. Juni 1861 dann den sogenannten „Gensels Garten“, eine Lokalität vor dem „Wolkensteiner Tor“.
Um den Kindern der Stadt noch besser helfen zu können, wird am 1. Juli 1874 die „Lipfertsche Logenstiftung“ gegründet. Im ersten Rechnungsbuch heißt es: „… die den Zweck verfolgt, armen Kindern – Knaben und Mädchen – eine bessere Erziehung oder vollkommenere Ausbildung zu gewähren, oder auch bei der Konfirmation mit Kleidung, Wäsche und der Gleichen zu versehen …“

Die Loge wuchs und wuchs, um 1900 waren es schon 90 Brüder und so fasste man 1899 den ersten Gedanken zu einem Neubau auf dem eigenen Logengrundstück, um ein würdigeres Gebäude zu errichten. Die Logenbaukommision nahm ihre Arbeit auf und am 12. Juli 1904 erfolgte dann endlich die Grundsteinlegung.

In der Lokal-Zeitung konnte man lesen: „Gestern mittag 12 Uhr fand auf der Logenstraße eine schlichte aber würdige Feier statt: Die Grundsteinlegung zum Neubau des Heimes der hießigen Freimaurerloge … Nach Gebet und Gesang hielt der Vorsitzende die Weiherede in erhebenden Worten gleichzeitig einen Rückblick auf das alte Gebäude gebend … Die Verlesung der Urkunde mit Mitgliederverzeichnis folgte und dann wurde die Urkunde nebst mehreren anderen Gegenständen, einem Stadtplan von Annaberg und einer Anzahl Münzen in eine kupferne Kapsel gebracht, und diese verlötet. … Die Kapsel wurde dann in den Grundstein eingefügt und in der üblichen Weise folgten durch den Vorsitzenden die ersten drei Hammerschläge. Unter ernsten Sprüchen und Geleitworten folgten weitere Hammerschläge seitens der Beamten und Mitglieder.“

Die Hebefeier erfolgt bereits Ende Oktober desselben Jahres. Auch über dieses Ereignis berichtet die Tagespresse: „Am Sonnabend Nachmittag halb 4 Uhr versammelten sich ein großer Teil der Mitglieder der hießigen Freimaurerloge zum treuen Bruderherzen, um das Richtfest des neuen Logengebäudes zu feiern. Das Gebäude war mit einer großen Anzahl von Kränzen und Sternen mit Schleifen in der Logenfarbe (blau) sowie maurerischen Emblemen geschmückt. … Möge der Bau, der der Humanität dienen soll, ungestört wie bisher seiner Vollendung entgegensehen.“

Die Weihe des Logenhaues konnte pünktlich zum 50. Logen-Jubiläum am 17. September 1905 gefeiert werden. Über den Festzug liest man in den Logenakten: „Die Führung nimmt Br. Schiefer als Baumeister, dann folgen, a) der sehr ehrwürdige Großmeister mit einem Leuchter und den Brr. Schaffnern zur Seite, b) die 3 Stuhlmeister mit je einer großen Kerze, c) die beiden Aufseher mit Hämmer und Leuchter, d) Br. Redner mit Gesetzbuch, Br. Schriftführer mit Protokollbuch und Br. Vorbereitender mit Teppich, e) die Ehrengäste, f) die Besuchenden, g) die Brr. nach der Altersstufe. Der Zug nimmt seinen Weg vom alten Hause durch den Hof direkt zum neuen Gebäude, an der Haustür übergibt der Br. Baumeister in üblicher Weise den Schlüssel an den Br. Großmeister und der Br. Musikmeister sorgt dafür, dass bei Eintritt in das Gebäude ein in den oberen Räumen sich aufhaltender Posaunenchor einen Choral anstimmt bis der Zug die Tür des Arbeitssaales erreicht hat. Hierselbst hat Br. Baumeister für die Entzündung der in den Händen des sehr ehrwürdigen Großmeisters befindlichen Kerze zu sorgen und Br. Fiebig und Br. Dost werden auf den beiden Instrumenten einen entsprechenden Einzugsmarsch anstimmen.“

Während des Ersten Weltkrieges wurde das Haus dem Bezirkskommando zur Verfügung gestellt und zu einem Lazarett umfunktioniert. Das Prinzenpaar Johann Georg von Sachsen besuchte das Haus am 21. Juni 1915.
Die Chronik der folgenden Jahre berichtet noch über weitere wichtige Ereignisse: So wurde im Jahre 1924 die Terrasse überdacht und eine Kegelbahn unter dem seitlichen Anbau errichtet. 1928 gründete sich ein Schwesternkegelklub. Br. Eberle stiftete ein kostbares Schwert, das bei der Hohneujahrs- und Stiftungsfestloge 1929 zum ersten Mal als Zeichen der Stärke auf dem Altar liegt. Zum Johannisfest 1929 zierten zwei holzgeschnitzte Sphingen, als Symbole des Schweigens und der Stärke, den Altar.

Im Jahre 1931 feierte die Annaberger Loge ein festliches Schwesternfest im Logenhaus. Ab 1933 schließt sich ein Teil der Annaberger Brüder zum „Bund zur nationalen Treue“ zusammen und will sich dem NS-Regime unterordnen. 36 Brüder gründen jedoch die Lipfert-Stiftung, um das Erbe und den Besitz zu erhalten. Bereits am 10. Oktober 1933 erfolgt zur Mitgliederversammlung, im Beisein einiger durch die NSDAP und die Kreisleitung beauftragte Herren, die Auflösung der Freimaurerloge von Annaberg. Es waren nur noch 18 Brüder anwesend. Am 20. Dezember 1933 findet noch einmal eine Adventsfeier mit Gabenverteilung statt. Die zwei Schlussakten dokumentieren schließlich die Übereignung des Gebäudes an die Stadt Annaberg im März 1935 und die Auflösung der Lipfert-Stiftung im August 1935. Nach Übergabe des Gebäudes beziehen HJ und NSDAP darin ihr Quartier. In der Ansprache des Vorsitzenden der Lipfert-Stiftung zur Übergabe heißt es unter anderem: „… Möge der Stadtgemeinde Annaberg und allen ihren Einwohnern bis in die späteste Zukunft nur Segen aus diesem Besitz erwachsen und möchten auch die Nutzniesser dieser herrlichen Anlage jederzeit dankbar und ohne Voreingenommenheit der Männer gedenken, die diese Anlage gegründet und erhalten haben.“ Mit der Auflösung wurde durch die Staatsregierung auch das Vermögen beschlagnahmt, der erste Bürgermeister von Annaberg versucht hieraus einen Vorteil für seine Stadt zu ziehen und wendet sich an das Staatsministerium des Inneren in Dresden mit der Bitte, das Vermögen der Stadt Annaberg zukommen zu lassen.

Auch versucht man seitens der Stadtverwaltung, jegliche Erinnerung an die Loge aus dem Gedächtnis zu tilgen. So schreibt der Annaberger Bürgermeister an die Allgemeine-Elektrizitäts-Gesellschaft Annaberg am 15. Oktober 1937: „… Es fällt in letzter Zeit häufig auf, daß in mündlichen und schriftlichen Unterhaltungen über das Stadtgrundstück Hans-Schemm-Straße 7 (früher Loge) nach alter Gewohnheit der Ausdruck ‚Logengebäude‘ verwendet wird. Diese Bezeichnung, die unerfreuliche Erinnerungen an die vergangenen Zeiten wieder wachruft, soll aber in Zukunft bewußt unterdrückt werden. …“ Als letzter Akt der Auslöschung der maurerischen Symbole im Logenhaus werden 1937 die Bleiglasfenster zerstört und sämtliche Bemalungen überstrichen oder entfernt.

Nach dem unglückseligen Zweiten Weltkrieg zieht die „Deutsch-Sowjetische-Freundschaft“ in das Haus ein und in den unteren ehemaligen Kastellanräumen wird später ein Jugendclub eingerichtet. Nach der Wende verliert sich die Geschichte des Hauses. Was als gesichert gilt, ist, dass bis Ende 2006 die Pfingstgemeinde Mieterin im Haus ist. Nach deren Auszug im Jahre 2007 ist das Logenhaus an die Großloge A.F.u.A.M.v.D. rückübertragen worden.
Der Autor dieses Beitrages ist zu jener Zeit im Bauamt der Stadt Annaberg-Buchholz beschäftigt und mit der Planung des „Tages des offenen Denkmals“ betraut. Meiner Anfrage bei der Großloge zur Öffnung des Hauses wird stattgegeben und der Kurator, Br. Otfried Hintzpeter, sagte seine Teilnahme zu. Die Chemnitzer Loge „Zur Harmonie“ hilft bei der Ausgestaltung des Ereignisses tatkräftig mit.

Diese Zeit wurde auch zum Startpunkt für mein Interesse und das Engagement für die Königliche Kunst und mündete 2017 in meiner Aufnahme in der Loge „Alpha Ori“ im Orient Erfurt. Der „Tag des offenen Denkmals“ 2007 war mit über 300 Besuchern im Logenhaus ein voller Erfolg. Im Festsaal installierte die Chemnitzer Loge Schautafeln und eine Leinwand-Präsentation. Die Brüder standen interessierten Bürgerinnen und Bürgern gern für Gespräche zur Verfügung. Im oberen Saal, dem Tempelsaal, hatte ich eine kleine Ausstellung zur Annaberger Loge eingerichtet. Beim Vortrag zur Geschichte der Loge am Nachmittag war der Saal mit mehr als 110 Leuten bis auf den letzten Sitz- und Stehplatz gefüllt.

An diesem Tag wurde das Gebäude zum letzten Mal genutzt und war der Öffentlichkeit zugänglich. Der Großloge blieb 2014 nur der Verkauf der Immobilie. Der neue Eigentümer fand jedoch keine Verwendung und der Verfall des Gebäudes schritt unaufhörlich voran. Vermutlich war es zu diesem Zeitpunkt für die Rettung der Bausubstanz bereits zu spät. Und so erteilte das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen im Jahr 2016 die Genehmigung zum Abriss, der Ende des vergangenen Jahres vollzogen wurde.

Es tut sehr weh, wenn man ein solch schönes Gebäude fallen sieht und wenn man um den Geist, das Engagement und die Historie der Brüder und ihrer Loge weiß. Mich hatte die Nachricht vom drohenden Abriss persönlich sehr getroffen und ich konnte dank der Hilfe des Distriktmeisters Sachsen, Br. Bernd Krieger, erreichen, dass nach dem Grundstein mit der Zeitkapsel gesucht wird.

Ich hoffe, dass der freimaurische Geist und die Geschichte der Loge im Gedächtnis meiner Heimatstadt Annaberg-Buchholz bleiben. Mit den Worten am Giebel des ehemaligen Logenhauses: „Erkenne dich selbst“ und einem herzlichen „Glück Auf“ seien alle Brüder herzlich gegrüßt, die mithelfen, die Königliche Kunst im Erzgebirge wieder bekannt zu machen und ihr einen festen Platz in der Region zu geben.

Kontakt zum Autor

Dieser Beitrag stammt aus dem Heft 2-2020 der HUMANITÄT, dem deutschen Freimaurer-Magazin. Das Heft kann bei der Kanzlei abonniert werden.