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Festakt in herausfordernder Zeit

Ein Vortrag zum 250. Jubiläum der Loge „Zum Goldenen Schwerdt“ i. Or. Wesel

Von Br. (Dr.) Ulrich Cichy

Das Bijou der Jubiläumsloge „Zum Goldenen Schwerdt“

Eine gekürzte Fassung dieses Vortragstextes ist in der Ausgabe 02/2025 des Online-Magazins humanitaet.online unter dem Titel „Festakt in herausfordernder Zeit“ erschienen.

I.

Unserem Bruder Oskar Wilde wird der folgende Gedanke zugesprochen:
Am Ende wird alles gut. Und wenn es noch nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende.

Diese Worte klingen nach einem säkularen Optimismus: Wir gehen in eine gute Zeit!

Gedankenverwandt sprach auch mal der amerikanisch-chinesische Autor Francis Fukuyama in den 90er Jahren von einem Ende der Geschichte. Vereinfacht meinte er: Nach dem Niedergang der autoritären Staaten des Sozialismus in Osteuropa hätte sich in der Welt die liberale Demokratie durchgesetzt. Der Kampf der großen Ideen und Ideologien sei beendet. Somit wäre die Welt endlich in einen dauerhaft freiheitlichen Status eingemündet.

Damit hätte sich im Übrigen auch für die Freimaurerei die Mission der Aufklärung erfüllt.

II.

Man spürt förmlich die altbekannte Heilserwartung, die von den meisten Religionen in die Zeit nach den irdischen Abläufen gelegt wird. Und sie ist uns Freimaurern ja auch bekannt. Der Tempel der Humanität ist ja nicht mehr und nicht weniger als das Bild für eine bessere Welt, die wir zu verwirklichen trachten.

Wie dem auch sei: Die Illusion Fukuyamas ist wie eine Seifenblase zerplatzt. Im Osten ist der autoritäre Staat wiedererstanden und greift sogar mit einem Krieg nach anderen Ländern. Auf der anderen Seite des Atlantiks hat man disruptiv grundsätzliche Gewissheiten der offenen Gesellschaft außer Kraft gesetzt und praktiziert das Recht des Stärkeren. Autoritäre Tendenzen, soziale Ausgrenzung und Fundamentalismus gewinnen in der Welt und sogar in Europa an Kraft.

Die Menschenrechte sind ein Produkt unserer abendländischen Kultur. Wenn sich aber eine globale Strömung davon abwendet, wird unser aller Leben ärmer werden. Und dabei verändern der Klimawandel und die vierte Industrielle Revolution mit der künstlichen Intelligenz gerade nachhaltig die Lebensgrundlagen. Erleben wir eine Katharsis unserer Kultur und unserer Welt?

Der letztjährige Wirtschaftsnobelpreisträger Daron Acemoglu formulierte: „Ich glaube, wir erleben gerade die Geburtsschmerzen eines neuen Modells und wir wissen noch nicht, was das neue Modell sein wird.“

III.

Und genau in dieser Welt im Umbruch mit vielen neuen Ungewissheiten feiern wir unser 250. Jubiläum. Im Jahr der Unterzeichnung unserer Stiftungsurkunde fing übrigens der amerikanische Unabhängigkeitskrieg von Großbritannien an, heute erleben wir möglicherweise die entscheidende Distanzierung der USA von der sog. „alten Welt“…?

Was haben wir vor diesem weltgeschichtlichen Hintergrund zu feiern? Was für ein Auftrag leitet sich für uns aus unserem Jubiläum ab?

IV.

Zunächst sind 250 Jahre schon einmal eine außerordentliche Leistung. Da stehen wir der Freimaurerei mit ihren insgesamt etwas mehr als 300 Jahren nicht so sehr viel nach. Von Soldaten gegründet und auch lange weitgehend getragen, war unsere Loge bei vielen Entwicklungen förmlich direkt mit an vorderster Front. Bereits 1744 wurde mit der Loge „Zu den drei ehernen Säulen“ in Wesel unsere Vorgängerloge gegründet. Hier ist der älteste Logenstandort in Nordrhein-Westfalen. Und als ältester Verein der Stadt Wesel hat sich nachfolgend unsere gute Loge als ein Träger des gesellschaftlichen Lebens bewährt.

Nach der napoleonischen Besetzung ist sie wieder neu entstanden.
In der Nazizeit mussten auch hier viele Freimaurer bitter erfahren, dass nationales und völkisches Denken selbst in freimaurerischen Kreisen in den Abgrund führte. Aber unsere Loge hat sich immer wieder gefunden, in ihr lebte und lebt trotz aller Herausforderungen der freimaurerische Geist fort.

Und auch in der gegenwärtigen Welt, in der das organisierte Vereinsleben auf dem Rückzug ist, leben wir mit einem stabilen Kern freimaurerisch aneinander gebundener Brüder als lebendige Gemeinschaft.

Wir haben somit allen Grund, unser Jubiläum zu feiern!

V.

Aber, wo führt der Weg uns hin?

Um es zeitgemäß zu formulieren: Wie stellen wir uns als Logen, Großlogen und Freimaurerei insgesamt auf, um unseren Weg durch eine Welt vermehrter Ambivalenzen und Antagonismen zu gehen? Wie finden wir den richtigen Pfad zwischen Bestand und Wandel?

Hierzu gab Papst Benedikt XVI seinerzeit mit dem folgenden Gedanken einen klärenden Hinweis: „Gerade in Zeiten des Wandels ist es notwendig, sich nicht treiben zu lassen, sondern sich an bleibenden Werten zu orientieren.“ Und das gilt gerade auch für uns Freimaurer: Wir sind eine Wertegemeinschaft.

Sich im Widerstreit zwischen Bestand und Wandel zurecht zu finden, heißt deshalb zunächst, dass wir den Wert und die Stabilität unserer Gemeinschaft pflegen. Wir leben als Brüder in einem vielfältigen Miteinander, das außerhalb der Loge vielleicht niemals in Harmonie zusammengefunden hätte; wir sind eine Schule der Toleranz.

Und das müssen wir weiterhin ganz konkret in und außerhalb der Loge umsetzen.

Ein weiterer Aspekt, auf den wir uns immer wieder berufen: Wir sind Kinder der Aufklärung, insbesondere der englischen Frühaufklärung. Ein von öffentlichen und populären, gar populistischen Dogmen unabhängiges Denken, Urteilen und soziales Handeln ist deshalb unsere Maxime. Wenn wir diesen Gedanken in unserer Loge und in der Freimaurerei insgesamt weiterhin pflegen, stärken wir in dieser Welt den Geist einer offenen und sich den Aufgaben entsprechend entwickelnden Gesellschaft.

Und nicht zuletzt: Der Klimawandel, die von der künstlichen Intelligenz getragene vierte industrielle Revolution drohen, der vielfältigen natürlichen Welt und deren Differenziertheit, dem freien Leben und der Individualität der Menschen die Entfaltung zu beschneiden. Auch sie machen es erforderlich, dass wir im Dialog mit der Gesellschaft, im öffentlichen Auftreten den Gedanken des vernünftigen Handelns vertreten.

In einer Welt, die sicherlich so schnell nicht untergeht, in der sich aber weite Bereiche sozial, politisch und klimatisch so stark verändern werden, so dass das Leben und Überleben dort ganz neue Herausforderungen mit sich bringen.

VI.

Das Ritual sagt uns gerade auch vor dem von mir beschriebenen Hintergrund: „Geht hinaus und bewährt Euch als Freimaurer. Wehret dem Unrecht, wo es sich zeigt, kehrt niemals der Not und dem Elend den Rücken. Und achtet auf Euch selbst.

Lasst mich den Gedanken einmal umdrehen: Wir müssen auf uns selbst achten – ein jeder von uns, in der brüderlichen Gemeinschaft die von mir genannten Werte pflegen, damit sie Orientierung bei der Bewährung in dieser Welt, bei der Auseinandersetzung mit Unrecht, Not und Elend geben. Dann erkennen und handeln wir im Geiste einer Mission für die positive Zukunft.

Nicht, indem wir Partei werden und öffentlich gesellschaftliche und politische Ziele proklamieren. Diese kluge Festlegung der Alten Pflichten im Sinne einer politischen Neutralität verdient weiterhin Bestand. Sondern dadurch, dass ein jeder von uns, von der brüderlichen Gemeinschaft gestärkt, mit Mut und Verstand in seinem Verantwortungsbereich freimaurerisches Wertebewusstsein in konkretes Handeln umsetzt.

VII.

Und damit, bin ich abschließend wieder bei unserem Bruder Oskar Wilde: Für die vor uns liegende Geschichte können wir – glücklicherweise – kein Ende absehen. Aber was wir können: Dazu beitragen, dass die negativen Aspekte geschichtlicher Entwicklung an Kraft verlieren. Dann würde es besser oder gar gut werden in einer vor uns liegenden humaneren Welt.

Stellt es Euch einmal vor: Dann werden die Brüder nach den nächsten 250 Jahren wohl sagen können: „Die Altvorderen, die Brüder damals, hatten es schwer. Sie hatten kaum eine Ahnung davon, wo die Welt hingeht. Aber sie haben sich bewährt, sie haben – zumindest – versucht, der Welt einen Weg in eine bessere Zukunft zu ebnen.“

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