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Freimaurerische Landschaftsgärten in Frankreich, Teil 1

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Freimaurerische Landschaftsgärten in Frankreich, Teil 1

Von Siegfried Schildmacher

In Deutschland kennt man von den freimaurerischen Gärten in Frankreich lediglich den Parc Monceau in Paris, weil er häufig in der Gartenliteratur zitiert wird. Dabei ist dieser Garten im Laufe der vielen Jahre durch die Bebauung stark geschrumpft, sodass vom ursprünglichen Plan eines freimaurerischen Gartens wenig übriggeblieben ist.

Der Landschaftspark „Désert de Retz“ ist jedoch nach seiner Restaurierung in Frankreich wieder sehr bekannt. Der frühere französische Präsident François Mitterand schrieb sogar das Vorwort zu einer umfangreichen Gartenbeschreibung (Cendres, Julien; Radiguet, Cloé: “Le Désert de Retz, paysage choisi”, Paris 2009, S. 9).

„Désert“ bezeichnet auf Französisch eigentlich eine Wüste, aber im Park wäre die Übersetzung „Wildnis“ zutreffender. Der Park gehört heute der Gemeinde Chambourcy, die 35 km nordwestlich von Paris liegt. Die Gemeinde hat mit Hilfe staatlicher Mittel den Garten renovieren lassen.

Der Eigentümer und Bauherr des Gartens war der Marquis Nicolas Henri Racine de Monville, der über große Reichtümer verfügte. 1774 erwarb er in der Nähe des Dorfes Saint-Jacques-de-Retz, nicht weit von Chambourcy entfernt, ein 15 Hektar großes Gelände, das er in den folgenden Jahren auf 40 Hektar erweiterte. Der Garten wurde von 1774 bis 1789 mit zahlreichen Architekturen, die teilweise auch eine freimaurerische Symbolik besaßen, ausgestattet.
Wenn man den Garten betritt, ist man nach einigen hundert Metern überrascht, weil man plötzlich vor einem 30 Meter hohen achteckigen weißen Turm steht, der eine abgebrochene Säule darstellen soll. Er wurde 1781 errichtet und ist im Inneren mit kostbarem Marmor ausgekleidet worden. Der Turm war der Wohnsitz von Monville und verfügte über 15 Zimmer, die über eine Wendeltreppe auf fünf Etagen erschlossen wurden. Der weiße Turm, der in der französischen Beschreibung als „colonne détruite“, also als „zerbrochene Säule“, bezeichnet wird, ist auch heute noch äußerst eindrucksvoll und das dominierende Gebäude im Garten.

Woran erkennt man, ob es sich um einen freimaurerischen Landschaftsgarten handelt?

Romy Panier hat in ihrem Artikel „Freimaurersymbolik im Landschaftsgarten“ im Buch „Die Geheimnisse freimaurerischer Landschaftsparks“ (Leipzig 2020, S. 55-88) folgende Symbole als typisch für freimaurerische Gärten aufgeführt: Pyramiden, Sphingen, Türme, Tempel, Ruinen, Obelisken und Grotten. Fast alle diese Symbole kann man im „Désert de Retz“ finden.

Die Pyramide liegt zweihundert Meter nordwestlich vom achteckigen Turm und ist in einem gepflegten Zustand. Im Untergeschoss befindet sich ein Eiskeller, wie z. B. auch in den Pyramiden der Freimaurergärten von „Monceau“ in Paris und im „Neuen Garten“ in Potsdam. Im Keller wurden im Winter die gebrochenen Eisschollen auf Stroh eingelagert und im Sommer zum Kühlen von Getränken und Speisen wieder entnommen. Pyramiden sind in freimaurerischen Gärten keine Seltenheit, denn in der Mitte des 18. Jahrhunderts brach ein wahres Ägyptenfieber aus. Auch die Freimaurer glaubten ihre frühesten Wurzeln bei den Priestern im alten Ägypten zu finden. In Hannover fand 2017 eine Ausstellung mit dem Titel „O Isis und Osiris – Ägyptens Mysterien und die Freimaurerei“ statt, die in einem über 500 Seiten starken Begleitband diese Verbindungen eingehend beschrieben hat (Ebeling, Florian; Loeben, Christian: „O Isis und Osiris – Ägyptens Mysterien und die Freimaurerei“, Hannover, 2. Auflage 2018, S. 313 ff. und 327 ff.).

Auch eine Ruine darf in einem freimaurerischen Park nicht fehlen, weil sie den Freimaurer an die Endlichkeit des Lebens erinnern soll. Die meisten Ruinen in freimaurerischen Gärten sind künstlich errichtet worden. Bei der Ruine im Garten von „Désert de Retz“ handelt es sich um die Überreste einer Kapelle aus dem 13. Jahrhundert des Dorfes Saint-Jacques-de-Retz. Diese Kapelle wurde im 16. Jahrhundert aufgegeben (Désert de Retz – Voyage au siècle des Lumières, Prospekt der Gemeinde Chambourcy über den Garten).

Romy Panier schreibt in ihrem erwähnten Aufsatz: „Das Zurückerinnern an vergangene Zeiten, das mit Melancholie gepaarte Gefühl des Bedauerns, verweist auf den besonderen Charakter dieses Elements. Beim Anschauen der Ruine stellt der Betrachter stets Vergleiche zwischen dem Jetzt und der Vergangenheit an.

Ein Tempel des Gottes Pan befindet sich auf einer Anhöhe, von der man einen herrlichen Blick über den ganzen Park hat. Es handelt sich um einen Rundtempel, der zur Hälfte mit toskanischen Säulen geschmückt ist. Im Inneren gab es einen Salon, der für Musikaufführungen bestimmt war. Der Boden war mit schwarzen und weißen Fliesen belegt. Hier handelt es sich offensichtlich um das freimaurerische musivische Pflaster.

Unterhalb des Tempels befindet sich ein Altar, der an die römische Antike erinnern soll. Er ist mit drei Widderköpfen geschmückt, die umkränzt werden von steinernen Blumengirlanden. Im Garten befand sich außerdem früher ein chinesisches Teehaus, das der Marquis de Monville bewohnte, bevor er in die Räume des achteckigen Turmes einzog. Dieses Teehaus, wie es für chinesisch-englische Gärten üblich war (auch der Hinübersche Garten in Hannover führte zunächst den Namen chinesisch-englischer Garten), weil man damals das chinesische Kaiserreich für einen vorbildlichen Staat hielt.
Die Bäume im Garten wurden vom Marquis de Monville unter speziellen Gesichtspunkten ausgewählt. Darunter befinden sich auch solche, die eine freimaurerische Bedeutung haben, wie die Zedern vom Libanon und die Robinie (Falsche Akazie). Der Akazienzweig spielt bei der Erhebung zum Freimaurer-Meister eine große Rolle.

Welche Reputation der Landschaftsgarten „Désert de Retz“ hatte, kann man auch an seinen Besuchern im 18. Jahrhundert ablesen. So besuchten der schwedische König Gustav III., die französische Königin Marie-Antoinette, die Herzogin von Barry und die späteren US-Präsidenten Benjamin Franklin und Thomas Jefferson den Garten (Maier-Solk, Frank: „Die schönsten Gärten und Parks in Paris und in der Ile de France“, München 2013, S. 174).
Touristische Hinweise:

2021 besuchte eine Gruppe der Loge „Friedrich zum weißen Pferde“ aus Hannover verschiedene Freimaurergärten in Paris und der Umgebung. Aus logistischen Gründen wurde ein Hotel in Saint Lambert de Bois gewählt, das 35 km außerhalb von Paris liegt: Hotel „Manoir de Sauvegrain“, Logis de France, sehr gute Küche, die der Reiseführer mit 3 Kochtöpfen ausgezeichnet hat.

Zu einer Logenfahrt gehört auch der Besuch einer französischen Loge. Es ergab sich die Möglichkeit, die Loge „Les Chevaliers de Jérusalem“ in Versailles zu besuchen. Die Loge gehört der „Grand Loge National Française“ an, die 31.000 Mitglieder hat und die von der Englischen Großloge und den Vereinigten Großlogen von Deutschland anerkannt ist. Die Aufnahme war außerordentlich freundlich. Nach der Erhebung eines Gesellen zum Freimaurer-Meister konnten wir an einem ausgezeichneten Brudermahl teilnehmen. Französisch-Kenntnisse sind erforderlich, nur ein Bruder der Loge sprach Deutsch.

Dieser Beitrag stammt aus dem Heft 3-2022 der HUMANITÄT, dem deutschen Freimaurer-Magazin. Das Heft kann bei der Kanzlei abonniert werden.