Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Interne und externe Freimaurerforschung

Empfehlen
Opened book with flying letters on concrete background

© ra2 studio / stock.adobe.com

Ursprünglich waren es meist Freimaurer gewesen, die sich der freimaurerischen Forschung verschrieben, und zwar in allen Ländern, in denen sich der Bund in seinen unterschiedlichen Formen entfalten konnte. Für die Geschichte der freimaurerischen Forschung in Deutschland ist eine ganze Anzahl von Namen zu nennen, die ihren Rang auch aus heutiger Sicht bewahren konnten.

Teil 2 eines Beitrages über Entwicklung und Arbeitsfelder der Freimaurerforschung

Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei hingewiesen auf Georg Kloß, Christian Carl von Nettelbladt, Wilhelm Keller, Josef Findel, Adolf Schiffmann, Ludwig Keller, Wilhelm Begemann, August Wolfstieg, Friedrich Kneisner, Ferdinand Runkel, Bernhard Beyer, Eugen Lennhoff, Oskar Posner und Adolf Pauls.

Diese Brüder waren aber nicht nur Forscher, sie kamen aus unterschiedlichen freimaurerischen Systemen, und sie hatten auch bestimmte Einstellungen dazu, was das „Wesen“ der Freimaurerei sei und wie man sie zu gestalten habe. So blieb es nicht aus, dass ihre Auffassungen des Öfteren voneinander abwichen und es zu gegenseitigen Vorwürfen der Einseitigkeit, der Voreingenommen, ja der Unwissenschaftlichkeit kam. Modern gesagt, die Autoren stellten sich wechselseitig unter „Ideologieverdacht“.

Nun ist die Beeinflussung von Forschungsresultaten durch die „kognitiven Modelle“ der Wissenschaftler ein allgemeines Phänomen der Forschung, insbesondere in den Geistes- und Sozialwissenschaften, wo individuelle und gruppenspezifische Bindungen an Denkschulen und Paradigmensysteme eher die Regel als die Ausnahme sind. Auch Freimaurerforscher, die nicht dem Bund angehören, können miteinander in den wissenschaftlichen Streit geraten, wie in jüngerer Zeit beispielsweise die Auseinandersetzung um die Thesen des amerikanischen Germanisten W. Daniel Wilson zur Goethes Mitgliedschaft im Freimaurer- und im Illuminatenbund gezeigt hat.

Für Forscher, die dem Bund angehören, besteht jedoch eine spezifische Versuchung, Analyse und Wertung zu vermischen und subjektiv Normatives („so sehe ich die Freimaurerei“) als objektive Beschreibung der Wirklichkeit („so ist die Freimaurerei“) auszugeben. Dieses „Ineinanderverwobensein“ analytischer und normativer Sichtweisen bei Darstellungen durch Freimaurer ist der externen, d.h. der von Nichtfreimaurern betriebenen Forschung natürlich nicht verborgen geblieben. Die externen Forscherinnen und Forscher erkennen zwar an, dass der internen freimaurerischen Forschung durchaus wissenschaftlicher Wert zukommt. Die Forschungsergebnisse gelten aber oft als so sehr von den freimaurerischen Standorten der Autoren beeinflusst, als dass sie generell als verlässlich eingeschätzt werden könnten. (Dieselbe Standortgebundenheit gilt allerdings meist auch für das freimaurerkritische Schrifttum, selbst, wenn es sich wissenschaftlich ausgibt).

Koselleck und die (segensreichen) Folgen: Belebung der Forschung seit den 1950er Jahren

Als sich seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts immer mehr externe Forscher, vor allem Historiker, mit der Erforschung der Freimaurerei beschäftigten und/oder sie in weitere Kontexte ihrer Untersuchungen rückten, bekam die freimaurerische Forschung einen neuen Auftrieb. Ein wesentlicher Anstoß kam – ich wies bereits darauf hin – von Reinhart Koselleck, dem in Bielefeld lehrenden Neuhistoriker, der es in seiner, zuerst 1959 erschienenen bahnbrechenden Studie „Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt“ unternommen hatte, die Freimaurerlogen in den bürgerlichen Emanzipationsprozess des achtzehnten Jahrhunderts einzuordnen und die bisher nur unzureichend berücksichtigte gesellschaftliche und politische Funktion der Freimaurerlogen herauszuarbeiten.

Die Ansätze Kosellecks sind inzwischen von anderen Wissenschaftlern weitergeführt, modifiziert und korrigiert worden. Neue Fokussierungen kamen hinzu. Ludwig Hammermayer und Monika Neugebauer-Wölk, selbst durch grundlegende Beiträge zur Freimaurerforschung ausgewiesen, haben wichtige Aspekte und Entwicklungsstufen der Geschichte der Freimaurerforschung beschrieben.

Heute erstreckt sich das Interesse der Forschung auf ein breites Spektrum wissenschaftlicher Disziplinen. Nicht nur Historiker, sondern auch Literaturwissenschaftler, Religionswissenschaftler, Ritualforscher, Theaterwissenschaftler, Kommunikationsforscher, Politologen und Soziologen entdeckten im Kontext ihrer Forschungsfelder interessante Aspekte der Freimaurerei.

Die Zahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen wuchs an, die Zahl der Habilitationen, Dissertationen und Magisterarbeiten zu freimaurerischen oder zumindest freimaurerrelevanten Themen ist angestiegen. Es bildeten sich Brücken zwischen extern-universitärer und intern-freimaurerischer Forschung, die dem Ansehen der Bruderschaft zugute kommen, und bei denen in ihren Disziplinen ausgewiesene Forscher, die der Freimaurerei angehören, wie etwa die Frankfurter Philosophen Alfred Schmidt und Klaus-Jürgen Grün, der Aachener Philosoph Klaus Hammacher, die Historiker Helmut Reinalter (auch Herausgeber der „Zeitschrift für Internationale Freimaurer-Forschung) und Martin Papenheim sowie – in aller Bescheidenheit – als Sozialwissenschaftler auch ich selber, eine impulsgebende Rolle spielten.

Unter den Habilitationsschriften sei insbesondere hingewiesen auf:

Joachim Westerbarkey, Das Geheimnis. Zur funktionalen Ambivalenz von Kommunikationsstrukturen, Opladen 1991, sowie

Linda Simonis, Die Kunst des Geheimen. Esoterische Kommunikation und ästhetische Darstellung im 18. Jahrhundert, Heidelberg 2000.

Unter den Dissertationenen sind von herausragender Qualität:

Helmut Neuberger, Freimaurerei und Nationalsozialismus. Das Ende der deutschen Freimaurerei, Hamburg1980,

Michael Voges, Aufklärung und Geheimnis. Untersuchungen zur Vermittlung von Literatur- und Sozialgeschichte am Beispiel der Aneignung des Geheimbundmaterials im Roman des späten 18. Jahrhunderts, Tübingen 1987,

Florian Maurice, Freimaurerei um 1800. Ignaz Aurelius Feßler und die Reform der Großloge Royal York in Berlin, Tübingen 1997,

Ralf Melzer, Konflikt und Anpassung: Freimaurerei in der Weimarer Republik und im “Dritten Reich”, Wien 1999,

Stefan-Ludwig Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit. Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft, 1840 – 1918, Göttingen 2000,

Kristiane Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer. Zur Konstitution eines bürgerlichen Habitus im Englang des 18. Jahrhunderts, Bielefeld 2009 sowie

Marcus Meyer, Bruder und Bürger. Freimaurerei und Bürgerlichkeit in Bremen, Bremen 2010.

Wenn von externer Freimaurerforschung die Rede ist, so muss schließlich nachdrücklich auf die Arbeiten von Dieter Binder, Karheinz Gerlach, Reinhard Markner und Monika Neugebauer-Wölk hingewiesen werden.

In diesem Kontext ist dann nur konsequent, dass auch die Forschungsloge „Quatuor Coronati“ seit einiger Zeit nach erfolgversprechenden Möglichkeiten sucht, sich gegenüber der externen Freimaurerforschung zu öffnen. Das Zusammenwirken mit Wissenschaftlern von Universitäten und Instituten, die nicht dem Freimaurerbund angehören, sich aber in Forschung und Lehre mit ihm beschäftigen, soll Kenntnisse und Impulse vermitteln, die – durch Tagungen, Veröffentlichungen und Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Beirat der Forschungsloge – allen QC-Mitgliedern zu Gute kommen und auch für die deutsche Bruderschaft insgesamt nützlich sind.

Warum ist die erneuerte und erweiterte Kommunikation mit der „externen“, insbesondere der universitären Freimaurerforschung so wichtig?

Einmal wegen der beachtlichen Forschungsergebnisse seit der bereits erwähnten wissenschaftlichen „Wiederentdeckung“ der Freimaurerei durch Reinhart Koselleck und der mittlerweile weit fortgeschrittenen Sozialkapital-, Kommunikations-, Geheimbund- und Ritualforschung;

zum anderen wegen methodisch-wissenschaftstheoretischer Aspekte: nur so kann eine Rückbindung der wissenschaftlichen Arbeit von Forschern, die zugleich Freimaurer sind, an die Fachwissenschaft gelingen

zum dritten als Mittel gegen innerhalb der Freimaurerei nicht selten anzutreffende apologetische Sichtweisen, „Selbstideologisierungen“ und Tabus.

Die Aufarbeitung der Problematik Freimaurerei und Nationalsozialismus etwa ist weitgehend der externen Forschung, insbesondere den Arbeiten von Helmut Neuberger und Ralf Melzer, zu verdanken. Neuerdings ist allerdings auch auf Arbeiten von mir zu verweisen. Die Freimaurerei benutzt Wissen von sich selbst ja eben nicht nur zum Zwecke der Erkenntnis, sondern auch zur Legitimation. Dies erfordert kritische Korrekturen. Nicht zuletzt wegen ihres großen historischen Legitimationsbedarfs kommt die Freimaurerei nicht an den Ergebnissen der externen Forschung vorbei, auch wenn diese unbequem, ja schmerzhaft sind.

Schließlich braucht die Freimaurerei auch im Kontext „Freimaurerei als Gestaltungsaufgabe“ die Erkenntnise der externen Wissenschaft. Es besteht Bedarf an mehr und substanziellerer Forschung zur Entwicklung der Freimaurerei in der Gesellschaft von heute.

Es gilt, verlässliches Wissen zu erarbeiten, das als Handlungsgrundlage für die Gestaltung einer lebendigen Gegenwartsfreimaurerei dienen kann. Das ist der Grund dafür, dass im Rahmen der Forschungsloge „Quatuor Coronati“ auch eine praxisorientierte, anwendungsbezogene Freimaurerforschung betrieben werden soll.

Es ist freilich stets wichtig, zwischen analytischen Befunden und dem Gewünschten, Gewollten, Normativen zu unterscheiden. Freimaurerische Forschung kann den Wert der Freimaurerei und ihrer einzelnen „Lehrarten“ nicht beweisen. Kategorische Werturteile darf sie nicht fällen. Sie ist aber zur Formulierung „hypothetischer Werturteile“ berechtigt, wenn diese methodisch und empirisch begründet sind. Hypothetische Werturteile beziehen sich auf die Beurteilung alternativer Vorgehensweisen, die eingeschlagen werden können, wenn bestimmte vorgegebene Ziele erreicht werden sollen. Jede Begutachtungs- und Beratungstätigkeit beruht letztendlich auf dem Prinzip, wissenschaftlich zu erörtern, welche Handlungsoptionen zwecks Zielverwirklichung zur Verfügung stehen, wenn vorgegebene Ziele erreicht werden sollen.

Leserbriefe

Leserbriefe geben nicht die Meinung der Redaktion wieder. Wenn Sie einen Leserbrief schreiben wollen, verwenden Sie das Formular “Kontakt zur Redaktion”. Es besteht kein Anspruch auf Veröffentlichung. Wie behalten uns vor, Leserbriefe zu kürzen.