Eine Zeichnung von Jens Oberheide
anlässlich des 250. Stiftungsfests der Loge „Emanuel zur Maienblume“ i. Or. Hamburg

Der Podcast für Brüder, Schwester und alle, die sich für Freimaurerei interessieren. Ausgewählte „Zeichnungen“ (Impulsvorträge) von Freimaurern.
Ein Spaziergang mit Jens Oberheide, Altgroßmeister der Großloge AFuAMvD |
Der Freimaurer-Spaziergang erscheint im Medienverbund der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland e.V. |
Skript und weitere Informationen zur Folge auf https://www.freimaurerei.de/informationen/podcasts/
| Feedback an redaktion@freimaurerei.de


Der Theaterpionier Friedrich Ludwig Schröder (1744 – 1816) war „der erste große deutsche Schauspieler, der vom Deklamations-Pathos zur Natürlichkeit in Vortrag und Gebärde strebte“ (soweit der Brockhaus von1973). Schröder, der auch ein bedeutender Reformator der Freimaurerei war, ist der Schöpfer des nach ihm benannten Rituals, das als Schrödersche Lehrart noch heute in den Logen bearbeitet und gepflegt wird.
An Schröder kommt man nicht vorbei. Mit ihm beginnt die Wiederbelebung unserer historischen Ausgangslage. Durch ihn haben wir unseren maurerischen Grundkonsens verinnerlicht. Über ihn können wir uns Lehrart-übergreifend verständigen. Das war damals so, und das ist heute so. Schröder ist aktuell wie eh und je. Das möchte ich mit einigen Beispielen ansprechen.
Folgt mir mit Schröder aufs Baugerüst!
Schröders Ausgangspunkt war damals die Rückbesinnung auf die Idee des sinnvollen Bauens und Gestaltens von Zeit und Raum, so wie es die englischen Gründerväter gedacht hatten. Es gab und gibt immer wieder Versuche, dieses symbolische Fundament infrage zu stellen und andere Bauwerke zu denken. Manche davon waren und sind Luftschlösser.
Man sollte sich Schröders Kennzeichnung vergegenwärtigen: Ein „geistiger, lebendiger Bau“ soll es sein, sagt er. Wir sind es, die diesen Bau mit Arbeit, Geist und Leben füllen müssen! Es ist ein ideeller, ein imaginärer Bau, sagt Schröder, „…unterstützt von seinen drei unsichtbaren , das heißt spiritualisierten Pfeilern Weisheit, Stärke und Schönheit, bedeckt von nichts als dem Himmel.“
Darum ist auch im Mittelpunkt des originalen Schröder-Teppichs „nichts als der Himmel“. Das will uns sagen: Jeder mag in dieses vielsagende Bild des Himmels hineindenken, was er mag. Schröder nimmt uns das „Selber-Denken“ nicht ab, weil er an freie Geister appelliert und die Erklärung des Arbeitsteppichs lediglich als „ eine Anweisung ans Werk “ versteht. „Ich erkläre nicht, dass du forschen, in Gedanken tändeln, noch etwas erfinden sollst, sondern ich zeige auf das, was zu tun sollst. So wird der Teppich lebendig. Jedes Symbol sagt: handele! Denn du verstehst mich.“
Klassisches Schröder-Zitat: „Da die Wahrheit einfach ist, so muss auch das Symbol einfach sein.“
Immer noch Leitgedanke für uns. Macht es nicht kompliziert! – meint Schröder. Der Bau-Gedanke ist einfach und für freie Geister und mündige Maurer leicht übersetzbar. Darum gibt es bei Schröder nur vergleichsweise wenig Symbolik. Schröder verzichtet auf esoterische Kürzel, religiöse Bilder und auf symbolische Wegweiser zu Höherem und Höchstem. Schröders Symbole geben nur Hinweise aufs Suchen, aber keine Lösungen. Das macht frei und offen, sich immer wieder damit zu beschäftigen.
Der Freie Maurer bleibt souverän bei der Selbstfindung und Sinnsuche. Dabei gilt noch immer das symbolische Grundverständnis: Jede Bauhütte hat auch einen Baumeister. Ob der nun dreifach, groß oder allmächtig ist, bleibt eine individuelle Interpretation, und die Bibel (oder ein anderes „heiliges Buch“) bleibt ein Symbol.
Schröder ruft uns zu immerwährender Arbeit an einem Bau, dessen Richtfest wir nie erleben. Bei dieser Arbeit soll das Ritual, sagt Schröder, alles beinhalten, was „symbolisch als Leitfaden zur sittlichen Freiheit und Bruderliebe von der Geburt bis zum Tode dem denkenden Menschen helfend und warnend zur Seite stehen kann“. Bis heute gibt es wohl keine treffendere Definition zum Ritual.
Die „Alten Freien“ Maurer waren nach Schröders Interpretation Mitglieder einer Art Innung, einer Gilde. Für Schröder waren solche Innungen im Wortsinn „Einigungen“, und die „Gilden“ waren „geltende“, d.h. durch Statuten und Satzungen geltende Verbindungen. Dazu gehörten auch Rahmenbedingungen im Sinne der immer wieder diskutierten „Regularität“, was ja nichts anderes bedeutet, als: Nach den alten Regeln arbeiten. Wer das nicht tut, sagt Schröder, handelt gegen die ganze Freimaurerei.
Heute erleben wir wieder Bewegungen, die meinen, nicht die englische Freimaurerei solle Vorbild sein, sondern die französische, überhaupt, man solle als freier Mann Regelgrenzen überschreiten dürfen. Nieder mit dem Besuchsverbot für irreguläre Logen, wie ein Antrag zum diesjährigen Großlogentag forderte.
Was im Sinne der alten Regeln alle vereinen sollte, ist Werktreue und die von Schröder so genannte „Verbrüderung zu einem Werke“. Dazu gehören nun einmal Statuten, Prüfungen, Rahmenbedingungen – und eben auch Regeln.“Wer etwas verändern will“, sagt Schröder, „muss erst dartun, dass das, was er gibt, besser sei, als das, was er nimmt.“.
Schröder warnt vor einer Mystifizierung, die gegen die Schlichtheit und Redlichkeit des maurerischen Grundgedankens steht. Auch Wortbeiträge in der Loge sollten sich daran messen lassen. Schröder kennzeichnet die Verpflichtung, am Grundkonsens unserer Königlichen Kunst festzuhalten und nicht herumzudeuteln.
Nachschlagen beim zeitlos aktuellen Schröder: „Es ist weise, dass wir Missbräuche abschaffen, und uns Menschenbildung angelegener sein lassen.“ Zu dieser „Menschenbildung“ gehört eine Synthese von Intellekt und Gemüt, mit Schröders Worten: Loge mit „Geist und Leben erfüllen“ .
Ist es nicht genau das, was wir erstreben – und leider so oft vermissen?
Zum Selbstverständnis unserer guten Sache sagt Schröder: Sie sei „darauf angelegt, auf innere Sittlichkeit zu arbeiten, das Gute, …zu befördern, Weisheit und Tugend in ihrer wesentlichen Reinheit zu erhalten.“ Zitat Schröder: „Seit ich den Logenhammer annahm, machte ich es mir zur Pflicht , das innere Wesen einer Sache, welche so manchen braven Manne vergeblich verschwendete Zeit gekostet hat, zu ergründen“.
Das Ergründen des „inneren Wesens“ sollte uns immer am Maurerherzen liegen, denn darin stecken nach Schröder „alle Eigenschaften, die Menschen besser zu machen“, Freimaurerei sei die „erklärte Feindin aller Vorurteile“ und lehre „wahre Duldung.“ Das meint vielleicht das, was wir heute noch unter Toleranz verstehen und was wir verständnisvoll zu leben versuchen sollten.
Es gelte stets, „die großen Zwecke, die uns in der Maurerei vor Augen liegen, moralisch und physisch zu erfüllen“. Güte des Herzens, sei ein Hauptbedingnis, Wohltätigkeit sei der Geist, sagt Schröder. Dazu gehöre auch „herzliche Liebe des wahren Guten“. Der Freimaurer solle sich durch „tadellose Sitten und vorurteilsfreie Denkungsart“ auszeichnen.
Auch das ist zeitlos und spricht uns direkt an.
Freimaurerei „soll bewirken, was weder der Staat noch die Kirche bewirken kann. Durch sie soll innere Tugend und Rechtschaffenheit vermehrt und verbreitet werden, die Trennungen und Spaltungen, welche das Interesse der Staaten, Religionen, Stände und aller zufälligen Verhältnisse hervorbringt“, zu überwinden.
Schröder Zeitgenosse Lessing hätte uns Heutigen zugerufen: „Recht sehr zu wünschen!“ Lessing hat schon damals ein unausgesprochenes „Aber…“ daran gehängt.
Auch Schröder war klar, dass solche Ideale nicht konkret in Staaten und Gesellschaften durchzusetzen sind, aber, sagt er, Freimaurerei müsse „im höheren geistigen Sinne fortwirkend bleiben zum Besten der menschlichen Gesellschaft, an die sie in der Stille ein moralisches Richtmaß bessernd und fördernd legt“. Schöner idealistischer Gedanke, man könnte heute ein moralisches Richtmaß bessernd und fördernd an die Gesellschaft legen.
Die Zustände in unserer Welt sind ja immer noch vor allem Missstände. Lernen von Schröder für heute hieße hier: geduldig und beispielgebend zum Guten, Ethischen und Humanen überreden, besser: selbst vorbildlich leben und wirken. Jeder wie er’s kann – und wir miteinander. Oft ist das nicht viel, aber alles beginnt beim Menschen und führt auf den Menschen zurück.Und was nicht im Kleinen geschieht, lässt sich auch nicht aufs Große Ganze übertragen.
Das von Schröder so genannte „Bewirken“ war schon zu seiner Zeit ungemein schwierig. Schröder hat sicher recht, wenn er sagt: „eine Verbindung zu moralischen Zwecken ist dem großen Haufen nur lächerlich“. Darum: Nicht mit wehenden Fahnen auf den Marktplatz- „Seht her: Wir sind die Guten!“
Das moralische Richtmaß, von dem Schröder sprach, muss – damals wie heute – sehr sensibel gehandhabt werden. In diesen Gedanken hinein spielt auch der freimaurerische Idealismus. Schröders Worte sind uns vertraut:„Geist der Lieb umweh‘ die Erde, dass das menschliche Geschlecht eine Bruderkette werde, teilend Wahrheit, Licht und Recht.“ Schöne Utopie! Aber wir brauchen solche Ideale, um nach ihnen zu streben, Wahrheit, Licht und Recht zu suchen, und wenigstens das Machbare des Denkbaren zu tun.
Richard von Weizsäcker sagt das sehr treffend: „Am Ideal gemessen, versagt die Wirklichkeit. Aber was wäre das für eine traurige Wirklichkeit, wenn sie aufhören würde, sich am Ideal zu orientieren.“
Als Schröder damals das „innere Wesen“ ergründete, war es unerlässlich, die, wie er sagt, offenbar weit verbreiteten „Possen“ zu entlarven. „Freimaurer haben sich die abenteuerlichsten Zwecke in den Kopf gesetzt.“ schrieb er, „und haben sich in unzähligen Sekten getrennt“.
Auch wir Heutigen müssen wachsam bleiben. Schröders Gedanke, „eine unabhängige Verbindung der Logen durch ein gemeinsames Ritual „ zu schaffen „welches so sehr als möglich dem englischen sich nähert“, bleibt jedoch Vision, wenn nicht gar Fiktion.
Der Traum von der einen einigen deutschen Großloge mit einem Ritual wird bekanntlich immer noch geträumt Auch Theodor Vogel hat diesen Traum geträumt, als er nach dem Kriege die Vereinigte Großloge von Deutschland – Singular – gründete, den Vorläufer unserer A.F.u.A.M. Eine gemeinsame Großloge wäre vielleicht ideal, aber auch idealistisch und tatsächlich eben offenbar nicht machbar!
Heute erleben wir in den Vereinigten Großlogen – Plural – dass die Einheit der Vielfalt durchaus reizvoll sein kann. Ein jeder möge die ihm gemäße Lehrart wählen dürfen.
Aber es ist dennoch immer noch das gleiche Fundament, von dem Schröder sprach, Die Winkelwaage ist noch immer die gleiche Ebene, auf der wir uns begegnen, und die Idee des symbolischen Bauens ist noch immer eine gemeinsame.
Auf dieser Baustelle trifft man mit Schröder alle Lehrarten und Großlogen. Schröder – Zitat: „Die Maurerei erstreckt sich über den ganzen Erdboden, und alle Brüder auf demselben machen nur eine Loge aus.“
Schröder ist Verfechter der Freimaurerei als einer diesseitigen Angelegenheit. Hier und heute gelte es, etwas zu bewirken – nach innen und außen. Schröder propagiert praktische, gleichsam „anfassbare“ , alltagsfähige Freimaurerei mit der schlichten Erkenntnis: „…..wir sind Menschen – weiter nichts! Wir suchen, was alle Menschen suchen sollen – weiter nichts. Wir kennen keine andere Würde, als die der Mensch sich selbst gibt, und keinen anderen Reichtum, als unsere Rechtschaffenheit. Alles, was wir sonst sind – suchen – und wissen – und glauben – und haben, das lassen wir vor der Tür unserer Versammlung, und nehmen davon beim Ausgang wieder, was wir noch brauchen können und brauchen müssen.“
Das gilt noch immer und mahnt ein klares Selbstverständnis der Königlichen Kunst an. Es sollte uns immer so bewusst sein. Es sollte in einem, wie Schröder so schön gesagt hat: „Herzens- und Seelen-Katechismus“ stehen.
Ja, wir sollten mit Schröder alles tun „gegen jene Logenarbeiten, die ernste Männer verscheuchen und die bei Jünglingen Langeweile erregen“.
Wir alle kennen diese Art von Arbeit und sehen, wie aktuell Schröder mit seinen Forderungen ist. Er selbst hat sich, wie er schreibt, „mit allen Kräften bemüht, die Brüder lehrreich zu unterhalten, sie keiner Langeweile preiszugeben (und) ihr Vergnügen zu erhöhen.“
Ein Leitsatz für Brüder Redner!
Ich hoffe, in Schröders Sinn als Euer heutiger Redner amtiert zu haben, gratuliere Euch zum 250. Stiftungsfest und wünsche uns allen die Verbrüderung mit dem Schröderschen Geist einer lebendigen, inspirierenden und inspirativen Freimaurerei.

Jens Oberheide (*11. Juni 1940 in Hannover) ist ein deutscher Autor und ehemaliger Großmeister (Vorsitzender) der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland.
Boa tarde diretamente do Brasil meus irmãos.
Sempre muito bom ler artigos sobre o nosso mestre Schröder.
Abraços fraternais
Die Auseinandersetzung mit Schröders Reformen der Freimaurerei und seiner Betonung auf Einfachheit und Wesentlichkeit wirft eine kritische Frage auf: Besteht die Gefahr, dass die ursprünglichen Traditionen und komplexeren Rituale, die über Jahrhunderte hinweg entwickelt wurden, in Vergessenheit geraten?
Die Reduktion von Symbolik und die Ablehnung von mystischen Elementen könnten dazu führen, dass wichtige Aspekte der freimaurerischen
Kultur und Geschichte verloren gehen. Traditionen und Rituale sind nicht nur Zeremonien, sondern tragen auch die Weisheit und Erfahrung
früherer Generationen in sich. Sie bieten eine tiefere Verbindung zur Vergangenheit und ermöglichen es den Mitgliedern, sich als Teil einer langen
und bedeutungsvollen Tradition zu fühlen. Während Schröders Ansätze sicherlich die Freimaurerei zugänglicher und relevanter machen, sollte darauf geachtet werden, dass diese Vereinfachungen nicht auf Kosten der reichen symbolischen und rituellen Vielfalt gehen, die den Kern der Freimaurerei ausmacht.
Es besteht die Notwendigkeit, ein Gleichgewicht zu finden zwischen der Erneuerung und Anpassung an moderne Zeiten und dem Respekt
und der Bewahrung der alten Traditionen, die der Freimaurerei ihre tiefere Bedeutung verleihen.
Nur so kann gewährleistet werden, dass die Freimaurerei nicht nur als Institution des Wandels, sondern auch als Hüterin einer
reichen historischen und kulturellen Erbschaft fortbesteht.
mit brüderlichen Grüßen
Oliver Weßling