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Kommentare geben nicht zwingend die Ansichten der Redaktion, der Großloge oder gar der Bruderschaft wieder. Sie spiegeln Meinungsbilder einzelner Brüder, zeigen den Facettenreichtum unseres Bundes und sollen zur Diskussion anregen, weshalb diese Beiträge auch kommentiert werden können.
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Was ist Wahrheit? — Es ist verführerisch, sich auf die kleinste Formel zu verständigen: Wahrheit ist das, was ist.
Aber was ist „das“? Etwa jenes, das mit der Wirklichkeit übereinstimmt? Was ist Wirklichkeit? – Eine Frage der Wahrnehmung, und die kommt aus durchaus unterschiedlicher Sichtweisen. Wahrheit und Wahrnehmung sind also gewissermaßen polare Schwestern. Kann man das Wahre wahrnehmen, „beurteilen“?
Der Wortzusammenhang „Urteil“ wird gern den Juristen zugeordnet. Die sprechen, wenn sie Wahrheit beurteilen oder Unwahheit verurteilen, gern von „Sachverhalt“. „Recht ist Wahrheit, und Wahrheit ist Recht“. Das stimmt freilich nicht immer. „Fehlurteile“ sind, wie wir wissen, nicht auszuschließen. Andere nehmen Wahrheit in Anspruch, wenn es um Richtigkeit, Echtheit, Authentizität geht. Aristoteles hat Aspekte der Logik hineingebracht. „Alle Menschen sind sterblich.“ Das ist logisch und scheint deswegen wahr zu sein. Doch mit „Sterblichkeit“ kommen die nächsten Fragen. Und dann ist man schon fast bei der ganz großen Dimension. Bei „Wahrheit“ im Kontext zum Sinn des Lebens und bei der „göttlichen Wahrheit“. Und so ist die philosophische Strecke zur Wahrheit unendlich. Angekommen ist niemand. „Die Wahrheit ist nicht das Ende des Weges, sie ist der Weg selbst“ (André Comte-Sponville). Auf diesem Weg treffen wir uns als sinnsuchende Freimaurer. Unterwegs zur Wahrhaftigkeit. Zum Wahren, was haften bleibt.
Nochmal gefragt: Was ist Wahrheit?
Ein simples Beispiel für etwas, was wir alle für „wahr“ halten. Die Erde ist (ziemlich) rund, dreht sich um ihre eigene Achse und bewegt sich auf einer elliptischen Bahn um die Sonne. Das dauert 365 Tage. So etwas „weiß“ man, obwohl das niemand von uns wirklich „wissen“ kann, und erkennen schon gar nicht. Warum halten wir solche Wahrheiten für „wahr“? Früher gab es auch Menschen, die es für „wahr“ hielten, dass die Erde eine Scheibe ist.Auch wir Heutigen sind nicht frei von der landläufigen Behauptung, die schon die Altvorderen so angesprochen haben, wie sie es sahen. Nämlich: dass die Sonne im Osten „aufgeht“ und im Westen „untergeht“. In Wahrheit tut sie beides nicht. Die Sonne ist ein Fixstern.
Man sieht, wie eng auch hier „Wahrheit“ mit „Wahrnehmung“ zu tun hat. Und wie sehr Symbolik hineinspielt. Natürlich ist der „Sonnenlauf“ kein wirklicher „Lauf“. Wir Freimaurer interpretieren jedoch unsere ganze Licht-Symbolik hinein. Und unsere Sinnsuche konkurriert sogar gegen naturwissenschaftlich fixierte „Wahrheiten“, weil wir versuchen „hinter“ Dinge zu sehen, die vielleicht nur vordergründig „sind wie sie sind“. Als Symbolbund und Wertegemeinschaft sind wir „offen“ für solche Deutungsversuche zur „Wahrheit“. Alle Ideologien und alle Religionen kommen hingegen mit fixierten, wenn nicht sogar dogmatisierten „Wahrheiten“ daher und erwarten gläubige Gefolgschaft. Was „wahr“ ist, steht in Gesetzestexten, Heiligen Büchern, Statuten und Regelwerken. Es gibt nur wenige Gruppierungen, die sich derart „frei“ davon machen können, wie wir Freimaurer. Unser Grundverständnis ist aufs Selberdenken angelegt. Das ist jedoch kein „Muss“ und die Grenzen sind liberal offen. Jeder kann, wenn er mag, natürlich auch denen trauen, die man für kompetent hält, im Besitze von Wahrheiten zu sein. Das war früher meist die Kirche. Heute halten wir es gern mit der Wissenschaft. Sind wir „wissenschaftsgläubig“?
Nun, derartige „Gläubigkeit“ kann sich je nach Wissensstand ändern. Was wir gestern für „wahr“ hielten, für wissenschaftlich bewiesen, das kann heute überholt sein. Wir lernen daraus: „Wahrheit“ ist nie endgültig. So gibt es z.B. sehr deutliche wissenschaftliche Glaubwürdigkeits-Schritte von Ptolemäus zu Kopernikus, von Kopernikus zu Newton, von Newton zu Einstein und von Einstein zu Hawking. Einstein sagt, alles ist relativ. Auch die Wahrheit. Ich zitiere den Franzosen Jules Lequier:
„Wenn wir felsenfest glauben, die Wahrheit zu besitzen, müssen wir wissen, dass wir glauben. Und nicht glauben, dass wir wissen.“
Nicht ketzerisch, nur symbolspielerisch mit einem Bibelzitat angemerkt: Gott schuf den Menschen nach seinem Bilde. Buchstabengetreu muss das eigentlich „wahr“ sein. Wie ist es denn aber nun, wenn man mit Darwin und dessen Abstammungslehre fragt, wie viel Tier im Menschen steckt, und wie viel davon der Evolution geschuldet ist? Man sieht an diesem Beispiel nicht nur, dass „Wahrheit“ tatsächlich relativ ist, man kann auch gut daran festmachen, dass wir zur Deutbarkeit von Allegorien, Metaphern und Symbolen durchstoßen könnten, mit denen beispielsweise die Bibel manche Geschichten chiffriert. Vieles davon ist „übersetzbar“. Auch Naturwissenschaft, ja, sogar Mathematik.
Die hat sogar Wahrheiten, die sind, wie sie sind. Freilich nichts anderes als mathematische „Richtigkeiten“. Drei mal drei ist neun.
Was nicht stimmt, das kann übrigens auch stimmig gemacht werden. Ich zitiere mal einen Heiligen. Ignatius von Loyola, der im 16. Jahrhundert gesagt hat: „Wenn etwas in unseren Augen weiß erscheint, aber die Autorität der Kirche es als schwarz definiert, so müssen wir ohne jeden Zweifel bejahen, dass es schwarz und sicher schwarz ist.“ Es gab auch mal eine Zeit, ist noch gar nicht lange her, da hieß es „die Partei hat immer Recht.“ Man sieht: Das ist eine schwierige Sache mit der objektiven „Wahrheit“.
Manches, was als „wahr“ bezeichnet wird, gehört schlicht in den Bereich des Glaubens oder des Gehorchens. Oder eines Dogmas, welches mündigen Widerspruch erdrückt. Im Zeitalter der Aufklärung, deren geistesgeschichtliches Kind die Freimaurerei ist, gehörte es zu den Leitgedanken, durch die Vernunft eine Wahrheit zu suchen, die dann auch die Tugenden des Handelns beeinflusst, wie etwa Gerechtigkeit und Brüderlichkeit.
Wenn ich sage, Wahrheit ist das, was ist, dann habe ich versucht, einschränkend zu sagen: Wir haben immer nur eine subjektive Sicht der Dinge. Wir wissen nicht, wie die Dinge an sich sind. Wir wissen nur, wie sie für uns sind, wie wir sie verstehen. Oder, wie andere sie für uns so glaubhaft interpretieren, dass wir sie uns zu eigen machen. Weil das so eine unsichere Sache mit der „Wahrheit“ ist, gefällt mir Lessing gut mit seinem Plädoyer für den Zweifel. Zweifler bleiben Suchende. Besitz macht träge . Das trifft oft auch auf den zu, der sich im Besitz der Wahrheit wähnt.
Lessing: „“Wenn Gott in seiner Rechten alle Wahrheit und in seiner Linken den einzigen, immer regen Trieb nach Wahrheit, obschon mit dem Zusatze, mich immer und ewig zu irren, verschlossen hielte und spräche zu mir „Wähle!“ – Ich fiele ihm mit Demut in seine Linke und sagte: „Vater gib! Die reine Wahrheit ist ja doch nur für Dich allein!“ Und dann sagt Lessing: „Nicht die Wahrheit, in deren Besitz irgendein Mensch ist oder zu sein vermeint, sondern die aufrichtige Mühe, hinter die Wahrheit zu kommen, macht den Wert des Menschen.“
Damit sind wir bei der Wahrhaftigkeit, die das Streben nach Wahrheit meint und das Verhältnis des Menschen zur Wahrheit anspricht, wie er sie für sich selbst glaubt, erkannt zu haben. Ich habe gesagt, wir haben immer eine subjektive Sicht der Dinge. Die Dinge sind für uns, wie wir sie verstehen. Freimaurerei fördert die subjektive Sichtweise. Sie öffnet alle Freiheiten. Es gibt keine blinden Gefolgschaften, keinen geschuldeten Gehorsam. Persönlichkeitsbildung braucht diese Freiheiten zum Selber-Denken. So ist Wahrhaftigkeit das subjektive „Für-Wahr-Halten“. Das ist auch die Beziehung des Menschen zu sich selbst. Man könnte auch sagen, das ist eine Charakterhaltung.
In seinen „Gesprächen für Freimaurer“ sagt Lessing, es gehe um die Ehrlichkeit und Einsichtigkeit„… nicht zu glauben, dass alles gut und wahr ist, was man für gut und wahr hält.“ Sich also gewissermaßen selbst überprüfen und offen und tolerant bleiben gegenüber anderen Wahrheiten, die ebenso richtig oder falsch sein können wie das, was ich selbst für mich erkannt habe. Das ist schönster freimaurerischer Sinn. Weil der Wahrheitsbegriff nicht zweifelsfrei definiert werden kann ( sagt August Wolfstieg) und weil man auch andere Sichtweisen von „Wahrheit“ respektieren muss, sucht der Freimaurer Wahrheit, und zwar ohne davon auszugehen, dass er sie jemals findet. Ich habe vom Weg gesprochen, auf dem wir uns sinnsuchend begegnen. Wir sind und bleiben Wahrheitssucher.
Jeder für sich hat eine Begrifflichkeit davon, die ihn „ausmacht“, die seinem Charakter Kontur gibt. Die aber auch tolerant begreift, dass andere das anders sehen. Das muss uns umtreiben.Wenn wir uns das ehrlich eingestehen und danach handeln, dann sind wir „wahrhaftig“. Albert Schweitzer sagt, das habe mit Treue vor sich selbst zu tun. Zitat: „Tatsächlich aber ist es die Ehrfurcht, die wir unserem eigenen Dasein entgegenzubringen haben, die uns anhält, uns immer selbst treu zu bleiben.“ Synonymbegriffe für „wahraftig“ sind aufrichtig, geradlinig, glaubwürdig, verlässlich. Charakteristik eines Freimaurers. So sollte er sein. Daran sollte er arbeiten, danach muss er streben.
Der Philosoph Arthur Schopenhauer zählt Charaktereigenschaften auf, die ein ganzes Leben unvermindert durchgehalten werden können und auch im hohen Alter ohne Abstriche funktionieren, wenn wir sie uns einmal erarbeitet haben: „Güte des Herzens, Sanftmut, Geduld, Redlichkeit, Uneigennützigkeit, Menschenfreundlichkeit …“ und: „Wahrhaftigkeit“.
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