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Was ist ein Mensch wert?

Eine Zeichnung von Bodo Dannhöfer

Bei dieser Frage denken viele zunächst an ihre Lohnabrechnung. Hierauf findet sich das Gehalt für erbrachte Arbeit und gezahlt wird in Geld. Der Schriftsteller, Dandy und Freimaurer Oscar Wilde untergräbt diesen materiellen Ansatz mit den Worten: „Ein Zyniker ist ein Mensch, der von allem den Preis und von nichts den Wert kennt.“ Der Wert eines Menschen lässt sich nicht auf seine wirtschaftliche Verwertbarkeit reduzieren. Vielmehr hängt er von den Handlungen ab, die der Mensch vornimmt und den Wirkungen, die er erzielt.

Deshalb sagt der Stoiker und römische Kaiser Marc Aurel: „Jeder ist nur so viel wert, wie das Ziel seines Strebens.“ Ein Satz, der an große Ideen und Heldenmut denken lässt. Immer hängt der Wert auch von den Fähigkeiten des Menschen ab. So gibt es Mitglieder aus guten Familien, die zu nichts taugen und so mancher Spross aus weniger guten Familien erweist sich als großartig. Nicht wenige Reiche sind geistige Nullen und auch unter den Armen finden sich welche mit großem Verstand. Mancher Bildungsbürger hat zwar den Kopf voll, aber das Herz leer. Woran soll also der Wert eines Menschen abgelesen werden können? An seinem finanziellen Vermögen wohl eher nicht, denn dieser Messpunkt wäre zu niedrig angesetzt. „Wer das Geld liebt, wird des Geldes niemals satt“, sagt schon Salomo der Prediger in der Bibel. Diese ewige Jagd bindet die besten Kräfte des Menschen.

Auch ist Besitzlosigkeit nicht der richtige Maßstab, denn Not lehrt den Menschen einiges, nur nicht: Gut zu sein. –  Schließlich ist auch Bildung nicht der alleinige Schlüssel, denn im Elfenbeinturm ist schon mancher verlorengegangen. Das Verhalten des einen Menschen gegenüber dem anderen ist das Entscheidende. Ganz gleich, ob das zu Hause, im Kreis der Freunde, in Gesellschaft oder als Leiter in Firmen oder Organisationen geschieht. Denn dafür werden Werte, Mut sowie Ausdauer benötigt und das sind Eigenschaften, die ein hohes Menschenbild voraussetzen.

Bedauerlicherweise urteilen Menschen gern und zumeist sehr schnell. Der erste Eindruck gilt als entscheidend und es wird nach wenigen Sekunden ein Bild geprägt. Dieses erste Bild ist nicht immer das richtige, denn Statussymbole, Rollen, Funktionen, Kleidung, Habitus, Schmeicheleien, Maskenspiel, usw. können vom Wesen des Menschen ablenken. Auch hat es mit den eigenen Werteinstellungen zu tun, wie man neuen Begegnungen gegenübersteht. Deshalb ist der Freimaurer aufgerufen, nicht vorschnell zu urteilen und jedem Menschen die Chance zu geben, seinen ersten Eindruck, den er hinterlassen hat, zu verändern. Das stärkt nicht nur den Verstand des Bruders, sondern auch sein Herz.

Manch ein Maurer berechnet den Wert seiner Brüder durch Qualität. Diese wird aus der Schnittmenge von drei Faktoren gebildet. Aus 1.) den Anforderungen, die gestellt werden (das „sollen“), 2.) der Ausrichtung, dem Ziel, das gesteckt wurde (das „wollen“) und 3.) der eigenen Fähigkeit dazu (das „können“).

Der erste Faktor, die Anforderung der Freimaurerei, ist bereits in den Zugangskriterien zum Bund der Freundschaft festgelegt. Der Kandidat muss ein freier Mann von gutem Ruf sein. Der zweite Faktor, die Ausrichtung, wird dem Suchenden spätestens während der Aufnahme mitgeteilt: „Das Ziel der Maurerei ist die innere Wandlung und geistige Entfaltung des Menschen.“ (so einer unserer Texte). Doch damit nicht genug, der Suchende gelobt wenig später auch Aktivität und Arbeit. So heißt es im Gelöbnis der Lehrlinge „(…) mich der Humanität aus vollem Herzen und mit ganzer Kraft zu widmen; (…) die Arbeit meiner Loge nach Kräften zu fördern, ihr Zeit und Arbeitskraft zu widmen (…)“ (ebd.). Im Gelöbnis der Gesellen wird diese Anforderung erhöht: „(…) meinen bei der Aufnahme übernommenen Pflichten mit erhöhtem Eifer nachzukommen. Bereitwillig neue, zusätzliche Aufgaben zu übernehmen.“. Schließlich der Höhepunkt im Gelöbnis der Meister: „An mein vergängliches Leben den Maßstab des Ewigen anzulegen.“

Hiermit sind die Grundsätze der Vernunft im Sinn der Aufklärung gemeint. Sie sind für den Meister, wie für die Menschheit, der Garant für eine lichte Zukunft. Der dritte Faktor zur Qualitätsermittlung, die eigene Fähigkeit, wird zum Garanten des Erfolgs oder Misserfolgs. Erscheinen das „sollen“, wie das „wollen“ zur Erfüllung eher einfach, so zeigt sich erst im „können“, in der Tat, der Meister und die Intensität seines Lichtes.

Freimaurerei entwickelt sich individuell in jedem einzelnen Bruder. Es kommt auf ihn und seine Leistung an. Strebt er nicht danach, seinen Anspruch ins „können“ zu bringen, dann droht er zu scheitern. Seine Qualität wäre gering, sein Licht schwach, sein Wert niedrig. Der symbolische Bund kennt zu viele von ihnen. Dieser Bruder bewegt sich auf dem Niveau eines Vereinsmitglieds, sein regelmäßig und vollständig gezahlter Mitgliedsbeitrag macht ihn dazu. Erfüllt er hingegen alle drei Anforderungen, darf sich dieser Bruder nicht nur Freimaurer nennen – dann ist er auch einer. Dann redet er nicht nur vom Tempel der Humanität, sondern hat ihn in sich errichtet und handelt entsprechend humanitär in der profanen Welt.

Der Wert des Maurers wird bereits bei der Aufnahme umrissen: „In unserem Kreis sind alle gleich, sind alle Brüder. Hier gilt nur das Ansehen, das der Mensch sich durch seine Lebenshaltung erworben hat.“ Dies bezieht sich nicht nur auf die Absichten des Maurers, sondern ebenso auf seine Leistungen. Denn zunächst ist Freimaurerei eine Idee, ein Grundsatz und eine Erkenntnismethode. Wahrhaftig wird die Königliche Kunst erst durch die Tat des Bruders. Das nennt man Erfüllung – und nichts fühlt sich so gut an, wie das Richtige zu tun.

Dieser Text und auch dessen Produktion als Audioversion ist ohne Hilfe von KI entstanden. In ihm sind Motive und Zitate verbaut aus: „Die Orestie“ von Raul Schrott, den freim. Ritualen der GL der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, aus der Bibel, von Oscar Wilde und von Marc Aurel.

Bodo Dannhöfer ist Magister Artium der Geschichte und Politikwissenschaft, Redner der GL AFuAMvD im Distrikt Niedersachsen/Sachsen-Anhalt und Mitglied der Loge „Baldur“ i. Or. Hannover

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