Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

Zum Aufbruch in die Zukunft

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Zum Aufbruch in die Zukunft

Von Jürgen Streich

„Die zerrissene Menschheit hat eine Menge Probleme“, schrieb ich in der Mai-Ausgabe 2020 der „Humanität“. Ich wies darauf hin, wie unvorbereitet die Corona-Pandemie die Menschheit getroffen hat und wie schleichend, aber gnadenlos sich die Aufheizung der Erde vollzieht. Wie schreiende Ungerechtigkeit und bittere Armut, Umweltkatastrophen und opferreiche Kriege wachsende Flüchtlingsströme verursachen, die die Staatenwelt vor Herausforderungen stellt, der sie angesichts des wieder erstarkenden Nationalismus und irrlichternder populistischer Politiker kaum gewachsen ist.

Und als wäre das alles nicht genug, bereiten in manchen Ländern wieder wachsende Atomwaffenarsenale ebenso große Sorgen wie Cyberattacken auf teils lebensnotwendige Infrastrukturen. Da Lösungen kaum in Sicht seien, plädierte ich damals dafür, „dass die Freimaurerei als Stimme des Humanismus und einer neuen Aufklärung vernehmlich Stellung zu den Problemen der Welt beziehen und sich selbstbewusst einmischen sollte.“ Zum Schluss bat ich Brüder und Schwestern, die an einem freimaurerischen Zirkel zu diesem Themenkreis interessiert seien, sich zu melden.

16 Monate, circa vier Millionen Corona-Tote, zahlreiche verheerende Waldbrände, riesige Flächen getauten „ewigen“ Eises und eine Hochwasserkatastrophe hierzulande später ist die aus diesem Zirkel entstandene Initiative „Freemasons for Future“ längst aktiv. Schon bald hatten sich über 70 Brüder und zwei Schwestern aus allen Teilen Deutschlands, aber auch aus Spanien, den Niederlanden, Belgien und der Schweiz, gemeldet. Ihnen allen ging es darum, die Aufklärung, um die die Freimaurerei sich einst so verdient gemacht hat, in der Gegenwart fortzusetzen und nicht nur symbolisch, sondern auch faktisch am Tempel der Humanität zu bauen, sich also in der Welt als Freimaurer zu bewähren. Schließlich werden wir im Ritual bei jeder Tempelarbeit daran erinnert.

Zahlreiche Brüder und Schwestern arbeiten bereits mit

Abgesehen davon, dass sich so Angehörige mehrerer Obödienzen zusammenfanden, erwies sich bald die Zusammensetzung hinsichtlich deren Tätigkeiten und Erfahrungen in der profanen Welt als großer Vorteil. Ob IT-Spezialisten, Juristen, Mediziner verschiedener Fachrichtungen, Vertreter von Kunst und Kultur, Publizisten oder professionelle wie ehrenamtliche Umweltschützer, Kommunalpolitiker und viele andere, zum Teil auch im Ruhestand — sie alle bringen seither ihre Kenntnisse und Möglichkeiten in das Projekt „Freemasons for Future“ (FM4F) ein. Dabei ist auch das in der Initiative vereinte freimaurerische Fachwissen sehr hilfreich. So sind amtierende wie ehemalige Inhaber sämtlicher Beamtenratspositionen dabei, aber auch sehr aktive Lehrlinge und Gesellen. Darüber hinaus ist beispielsweise der Vorsitzende von „Pegasus“, des Vereins für Kunst, Kultur und Kommunikation, der Maler und Grafiker Cornelius Rinne, ein sehr engagiertes Mitglied der Gemeinschaft.

Natürlich muss eine derart heterogene Gruppe von Individuen, die gleiche oder zumindest ähnliche Ziele verfolgen, aber geografisch weit verstreut sind, erst einmal zueinander gebracht werden, bevor sie mit der Arbeit beginnen kann. Darum machten sich insbesondere die Spezialisten für Computerkommunikation verdient. Bald schon gab es eine elektronische Plattform, der Austausch konnte beginnen.

Der erfolgte fortan insbesondere in Videokonferenzen — zunächst an den Samstagnachmittagen, dann auch Mittwochsabends, um möglichst vielen Mitstreitern die Teilnahme zu ermöglichen. Dabei kristallisierten sich alsbald Interessenschwerpunkte heraus.

Spannende externe Referenten beim Frühschoppen

Der nächste Schritt war daher die Einrichtung von Arbeitsgruppen, von denen es bisher diese gibt: Ökologie und Wirtschaftsethik, Bildung, Europäische Verfassung, Pragmatiker sowie Öffentlichkeitsarbeit. Diese Fachrunden halten einerseits separat ihre Online-Meetings ab, tagen aber auch während der Samstagsnachmittags-Konferenzen in den Cyber-„Gruppenräumen“, um anschließend allen anderen Teilnehmern den jeweiligen Stand ihrer Arbeit mitzuteilen. So ergeben sich Synergieeffekte.

Zu einer besonderen Institution haben sich die Sonntag-vormittäglichen Online-„Frühschoppen“, eine Erfindung des FM4F-Sprechergremium-Mitgliedes Ingo Malinowski, entwickelt. Dort wird mal locker über das aktuelle Geschehen geredet, mal stellt jemand aus der Runde ein Initial-Referat zur Diskussion.
Insbesondere aber laden die „Freemasons for Future“ ihre externen Gäste zu diesem Format ein. So verhalf die Initiative der Ausstellung „Ökozid“ des Straßburger Malers Bernard Laturner, die inmitten des Corona-Lockdowns nur gering besucht war, virtuell zu zahlreichen „Gästen“ in ganz Deutschland und im benachbarten Ausland.

Beim nächsten „Frühschoppen“ mit externem Referenten, an dem auch von den Initiative-Mitgliedern eingeladene Gäste teilnahmen, gab es bereits ein eigenes Jingle, komponiert und am Piano eingespielt von dem bei FM4F aktiven Profi-Jazzer Christian Rannenberg. Während der Veranstaltung stellte der frühere leitende Angestellte eines deutschen Automobilkonzerns, Norbert Stemmer, das Konzept der Gemeinwohlökonomie vor. Anfang Juni trat der aus Düren am Rande des Rheinischen Braunkohlenreviers stammende stellvertretende Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, der Klima- und Energieexperte Oliver Krischer, während eines Online-„Frühschoppens“ mit den Teilnehmern in einen Dialog über seine Politik. Zusagen für weitere Veranstaltungen liegen vor von dem Bestsellerautor Frank Schätzing (u.a. „Der Schwarm“, „Was, wenn wir einfach die Welt retten?“) und dem Ostrecht-Experten Prof. Dr. Dr. h.c. Herbert Küpper, der über die Hintergründe der ungarischen LGBTQ-Gesetzgebung referieren wird.

Unkomplizierter organisatorischer Hintergrund

Solche und weitere geplante Aktivitäten kommen nicht völlig ohne organisatorischen Hintergrund aus, wobei die juristisch bewanderten FM4F-Mitglieder sich bemüht haben, diesen so unkompliziert und unbürokratisch wie möglich zu gestalten, sodass das Regelwerk aus gerade einmal zehn Paragraphen besteht. Demnach kann jeder Freimaurer, gleich welchen Geschlechts, nach einer Kennenlernphase stimmberechtigter Gemeinschafter werden, indem er seinen Willen dazu dem jeweils amtierenden Sprecher schriftlich bekundet, das dreiköpfige Sprechergremium zustimmt und es innerhalb einer Sechs-Wochen-Frist keinen Widerspruch dagegen gibt. Die Höhe des finanziellen Beitrages liegt im Ermessen des jeweiligen Mitgliedes. Das Sprechergremium besteht derzeit aus Jürgen Streich, Helga Widmann und Ingo Malinowski.

Nachzulesen ist dies und viel mehr über die Initiative, deren Aktivitäten und Pläne, auf der von dem FM4F-Gründungsmitglied und Nachhaltigkeitsberater aus Berlin, Herbert Haberl, gestalteten Website (www.fm4f.de), die seit dem Frühjahr online ist.

Initiative unterstützt Logen bei ihrer Kommunikation

Bei allem Streben von „Freemasons for Future“ lautet das Leitmotiv: Ins Tun kommen! Ins Tun für die Ideale der Freimaurerei, für Aufklärung im Sinne einer humanen Welt, in der auch zukünftige Generationen eine Chance haben.

Gewissermaßen als Nebenprodukt ihres bisherigen Tuns konnte die Initiative während des Lockdowns einige Logen unterstützen, indem sie ihnen Gastreferenten für Zeichnungen und Vorträge für Video-Zusammenkünfte stellte oder vermittelte. Die während der Corona-Zeit auf diese Weise erworbene Erfahrung will FM4F weiterhin pflegen und ausbauen. Nach innen als Service für die Logen, nach außen als Beitrag zu einer guten Zukunft für alle.

Beim Blick zurück auf die ersten anderthalb Jahre von „Freemasons for Future“ soll nicht unerwähnt bleiben, dass uns, wenn wir die Initiative bei Online-Zusammenkünften verschiedener Logen vorstellten, zwar viel Sympathie zuteil wurde, von manchen Brüdern aber auch Skepsis bis hin zu Ablehnung entgegenschlug. Ich hatte damit gerechnet, denn schließlich wollen wir etwas in Bewegung bringen, durchaus auch anders machen. Gegen so etwas gibt es immer Vorbehalte.

Dabei sind die Bedenken leicht auszuräumen. So sorgen sich manche, die Initiative FM4F könnte sich anmaßen, bei ihren Aktivitäten für die Freimaurerei insgesamt zu sprechen. Doch das ist unbegründet. Es war immer klar und wir betonen es bei jeder Gelegenheit, dass wir ein Zusammenschluss von Freimaurern sind, die sich über ihre Arbeit in den Logen hinaus gemeinsam für eine möglichst gute Zukunft einsetzen. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Und nur dazu äußern wir uns im Namen der Initiative.

Errungenschaften der Aufklärung fortschreiben

Andere halten uns entgegen, wir würden Politik betreiben und das sei durch die „Alten Pflichten von 1723“ verboten. Was nicht stimmt, denn darin ist lediglich die Rede davon, dass politische Streitigkeiten (engl.: quarrels) aus den Logen herausgehalten werden sollen. Von konstruktiver Beschäftigung mit Politik steht dort kein Wort. Wir mussten uns sogar anhören, dass es für das, was FM4F täte, doch Parteien gebe. Dabei ist die Gestaltung der Zukunft viel zu wichtig, als sie allein den Parteien zu überlassen. Es ist schlechterdings unmöglich, am Tempel der Humanität zu bauen, ohne dabei politisch zu handeln. Das ist den Mitgliedern der Initiative „Freemasons for Future“ bewusst, wenn sie ihren Beitrag zu diesem Bau leisten. Doch genau dafür haben sie die freimaurerischen Werkzeuge einst in die Hände genommen und arbeiten weiter damit.

Wie dringend nötig deren Einsatz ist, zeigt der Zustand unserer Welt, in der es — im wörtlichen und übertragenen Sinne — an allen Ecken und Enden brennt. Wenn dann noch, wie während der Corona-Pandemie verstärkt, von Verschwörungstheoretikern und populistischen Politikern wissenschaftlich belegte Fakten in Abrede gestellt sowie bewusst Unwahrheiten und Lügen propagiert werden, gerät die Menschheit vollends auf den Weg in den Abgrund.
Will sie die Kurve zurück auf einen vernünftigeren Kurs noch bekommen, dann muss sie wieder auf die Errungenschaften der Aufklärung setzen und diese fortschreiben. Es liegt im ureigensten Interesse der Freimaurerei, daran nach Kräften mitzuwirken. Auf der Homepage von „Freemasons for Future“ ist gleich auf der Eingangsseite, von der „Suche nach Wissen und Weisheit für eine intakte und gerechte Welt“ die Rede. Dieses aufzuspüren und zu verbreiten ist unsere edelste Aufgabe in dieser verworrenen Zeit.

Dieser Beitrag stammt aus dem Heft 5-2020 der HUMANITÄT, dem deutschen Freimaurer-Magazin. Das Heft kann bei der Kanzlei abonniert werden.