Wie weit trifft das im Titel verwendete Zitat von Erich Fromm auch auf die Freimaurerei zu und wenn ja, was kann man verbessern?
Von Andreas Pflüger
„Die emanzipatorische Evolutionsadaptation und das globale Identifikationsprinzip lässt uns immer wieder eine multilaterale Homogenitätssythese erahnen. Die systematisierte positiv-ultimative Solidarisierungsapparenz aber auch die Transubstantiationsinkongruenz erinnert uns allzu sehr an die amplifizierende Diversifikationspermanenz was bei der akzidentiellen Solidarisierungspraktikabilität aber trotzdem immanent und flankierend sein kann“.
Sehr interessant sind diese wohldurchdachten, tiefsinnigen und aber auch intellektuell anspruchsvollen Ausführungen, oder? Viele von Euch werden sich fragen, worum es denn da genau geht.
Nun, diese Frage ist mehr als einfach zu beantworten: Es geht um überhaupt nichts, die obigen „Ausführungen“ sind nur sinnlose, unzusammenhängende rhetorische Floskeln, oder populärer ausgedrückt, einfach leeres Geschwafel.
Ununterbrochen werden wir im täglichen Leben mit solchen „Ausführungen“ bombardiert: mit leeren Absichtserklärungen der Politiker, die stets warnen und unermüdlich auf etwas hinweisen, mit bedeutungslosen Banalitäten in der Boulevardpresse, mit selbstherrlichen, aber unnützer Expertenmeinungen, mit sterilen Retrospektiven usw.
Und ist es nicht auch so, dass in unserem Bund ebenfalls oft längst von anderen Geschaffenes zitiert wird, und das mit bedeutungsvollem und Anerkennung heischendem Blick, als wären es die eigenen Ideen, dass leere, aber wohlklingende rhetorische Floskeln gedroschen werden, als seien sie der Weisheit letzter Schluss?
Geht es dabei nicht wohl eher um ein Erwarten von Anerkennung und Lob als dem Teilen interessanter, konstruktiver wie auch kritischer Ideen, als ein Akt der Selbstdarstellung durch das Vorgeben von Wissen, das in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist? Eine Zurschaustellung von erträumter, jedoch in der Realität fehlender Kompetenz und Autorität?
Unsere Freimaurerei schafft durch Allegorien im Ritualgeschehen und den Austausch von Ideen, seien sie noch so kritisch, eine sehr gute Voraussetzung, im Laufe unseres Lebenspfades unser wahres Selbst zu entdecken, konkret zu erleben, damit der innerste Wesenskern sich entwickle, gedeihe und blühe.
Die Voraussetzung dazu schlummert in uns allen. Wir brauchen keine Kenntnisse von komplexen mathematischen Funktionen und ebenso wenig müssen wir die Raumzeitgeometrie Schwarzer Löcher kennen, es genügt, dass wir immer wir selbst sind und bleiben – mit allen Vorzügen und Fehlern.
Ein jegliches „Anders- und Besserscheinenwollen“ wird die Suche nach unserem Wesenskern, den wir durch den maurerischen Weg zu finden hoffen, verunmöglichen, da es den notwendigen Zugang dazu versperrt.
Sein scheinen oder Habenmodus:
A hält einen Vortrag. Seine Gefühle, Gedanken und Handlungen zielen darauf ab, dass die Leute eine gute Meinung von ihm und seinem Wissen haben. Sein Ziel ist es, dass er am Ende jeden von sich und vom Inhalt des Vortrages überzeugt hat.
Im Zentrum seines Vortrages steht das Prestige um seine eigene Person und die Überlegenheit über andere, die er durch den Vortrag anstrebt, er trachtet nach Macht.
Sein oder Seinsmodus
B hält ebenfalls einen Vortrag. Seine Gefühle, Gedanken und Handlungen zielen darauf ab, sein Wissen mit anderen zu teilen, ihnen neue Impulse zu geben, die sie für sich anwenden und weiter entwickeln können.
Sein Ziel ist es, dass am Ende jeder mit einer Fülle neuer Gedanken bereichert ist, die er nach seinem Ermessen für sich umsetzen kann.
Das Ziel ist: Was kann ich für meine Mitmenschen tun, wie kann ich sie bereichern?
Erich Fromm, 1900 — 1980
Die wirkliche Kompetenz des Seins beruht also auf menschlicher, intellektueller, geistiger Kompetenz und Akzeptanz der eigenen Persönlichkeit, auf Unabhängigkeit des Denkens, auf Freiheit und kritischer Vernunft, oder eben dem wahren Sein. Dieses ist bei einer entwickelten Persönlichkeit, die Autorität ausstrahlt, ohne befehlen oder sich selbst darstellen zu müssen, immer frei von „tun als ob“. Je komplexer und hierarchischer eine Gesellschaft ist wie z.B. wie unser Freimaurerbund, desto mehr höher sollte die Kompetenz dieses Seins sein.
Lasst uns stets danach streben, immer uns selbst zu sein und zu bleiben, wie wir mal eben sind. Die Bestrebungen nach Vollkommenheit mit Hilfe der Maurerischen Werkzeuge werden dann ganz bestimmt mit Erfolg gekrönt sein und dazu beizutragen, uns selbst und damit die gesamte menschliche Gesellschaft zum Besseren zu verändern.
(Br.) Andreas Pflüger gibt mit seinen Ausführungen einen Impuls, über Schein und Sein der aktuellen Freimaurerei nachzudenken. Er trifft damit den Punkt. Die Gesellschaft spricht aktuell in vielen Varianten von “Zeitenwenden”. Die moderne Freimaurerei zitiert sich oft als Teil der Gesellschaft, hat aber wenig erkennbaren Bezug zu ihr, sollte aber einen zeitnahen als Existenzberechtigung haben. Dazu gehört Zivilcourage und Empathie zu ihren Inhalten. Nicht als “Selbstbefriedung” und Alibi für persönliches Versagen und Hilflosigkeit, sondern als aktive Mitwirkung in Rahmen der Möglichkeiten. Dies nicht tun zu können, ist zu oft Indiz für eine aus vielerlei Gründen hausgemachter Unfähigkeit und zu Ausflüchten.
Die Logen als Übungs- und Ertüchtigungstätten gleichen zu oft einem gefälligen Unterhaltungsverein mit unverbindlicher und oberflächlicher Beliebigkeit. Sie nehmen damit die Spielregeln der modernen Gesellschaft infiltriert an, lassen sich mit gefälligen Gemeinplätzen manipulieren, statt wo irgend möglich mit den frm. Erkenntnissen und Inhalten fundiert dagegen zu halten. Nach den Sternen zu greifen, ist nicht möglich. Aber bewusst im persönlichen Umfeld, an der Basis der Gesellschaft praktizierte “Humanität” zu üben schon. Einem Freimaurer sollte dies irgendwann als eine Erkenntnis und als Aufforderung zur aktiven Umsetzung bewusst sein. Eine Loge ist nun mal kein Unterhaltungsverein mit “besonderem Touch”, sondern ein Kreis von Menschen, die sich in besonderer Weise zu anspruchsvollen “Arbeiten” zusammenfinden. “Arbeit” ist Tun zum Sein. Und Aufforderung zur Aufnahme von Impulsen. Wo hingegen nur “Geselligkeit” geübt wird, hat Freimauerei ihren zeitgemäßen Anspruch verfehlt und keine Zukunft! Manch Entwicklung, auch in der Freimaurerei, lässt auch die dringliche Notwendigkeit einer “verbindlichen” Zeitenwende aller mündiger Gestalter der Gesellschaft erkennen. Freimauer sollten dazu gehören!
Bravo, dieser Impuls ist aus meiner Sicht gut. Es gibt so viele persönliche Erkenntnisse auch außerhalb der maurerischen Welt, gerade auch aus den Sozialwissenschaften und aus den eigenen Lebenserfahrungsbereichen, dass sie in den Gesprächen und Zeichnungen der Logen vorgetragen werden sollten, wenn sie auf einen eigenen Erkenntnishintergrund treffen. Man könnte auch sagen “Sei keine Schablone des schon oftmals vorgetragenen und zitierten maurerischen Wissensschatzes, sondern traue dich, auch eigene Erkenntnisse und Erfahrungen beizutragen.” Oft finden sich Brüder darin wieder und profitieren davon. Die Reputation des Vortragenden wird sicherlich nicht darunter leiden. Vielfalt kann nur unser Gewinn sein.
Okay, dass Problem ist doch, dass der Vortragende immer glaubt, seine eigene Zeichnung sei nicht gut genug. Und man würde den Ansprüchen nicht gerecht. Und es gehört schon eine Menge Mut dazu, seine Gedanken öffentlich auszubreiten.
Aber wer sich dies einmal getraut hat, fühlt sich sehr gut, gerade, wenn er auf echte Brüderlichkeit trifft
Mein erster Gedanke nach den ersten drei Wörtern war “Nicht schon wieder, nicht noch so einer…”.
Im zweiten Anlauf, nachdem ich mich widerwillig durch den ersten Block hindurch geschafft und weitergelesen hatte, musste ich schmunzeln.
Vielen Dank für den Impuls zu mehr “Seinsmodus”, besonders in Zeiten Chat GPT und Bots, die auf Knopfdruck ganze Seiten mit Floskeln und Zitaten füllen können.
Danke für diesen Beitrag! Leider lebt ” in unseren Logen oft zu sehr der ” Schein ” und wir Brüder leben im Widerspruch zu unserer kargen Wirklichkeit.
Wir müssen achtsam sein, dass eine Loge nicht zum ” Selbsterbauungsverein ” wird…
Dass “Die wirkliche Kompetenz des Seiens” auf irgendwelchen semantischen Floskeln beruhen könnte, ist nicht möglich. Der Aufsatz ist eine Ansammlung von Aufforderungen, die in der freimaurerischen Schreibe gängig sind und mit Wissen, dass sie uneinlösbar ausgestoßen werden. Es sind eben nur Floskeln.