Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland (AFuAMvD)

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Mit Gunst und Verlaub!

Wandernde Handwerker: Tradition und Alternative

Herausgegeben von Anne Bohnenkamp und Frank Möbus unter Mitwirkung von Leonie Mader. Mit Fotos von Ulla Lüthje

Erschienen im Wallstein-Verlag

267 S., 32 Abb., geb., Schutzumschlag, 14 x 22,2 cm
ISBN 978-3-8353-3725-1, 24,90 €

Von Thomas Stuwe

Die auffällige Kleidung der Wandergesellen weckt immer noch allgemeines Interesse. Dem trägt ein aktualisiertes Buch Rechnung, indem es von der Walz in der profanen Welt berichtet. Auch wenn das Wort Freimaurer nicht fällt und Steinmetze nur am Rande erwähnt werden, ist das Buch auch für Brüder lesenswert. Gewisse Parallelen und das Wesen der Zünfte als Geheimbünde und die Gründe dafür sind interessant.

Allein das wiederholte 1989-Vorwort „Das kann doch nicht alles gewesen sein!“ weckte mein Interesse und ließ mich sofort an Br. Ernst-Günther Geppert (1918-2021, Mutterloge Roland i. Or. Hamburg) denken: „Da war doch noch was!“ war immer sein Ansporn an uns.

Bauhütte, Zünfte, Schächte im Wandel der Zeiten

Entstehen, Niedergang der Zünfte und deren Revival werden anschaulich dargestellt. „Freie und ehrliche Geburt“ waren Voraussetzungen. Uneheliche, Juden, Heiden waren unerwünscht, wie auch die Berufe des Totengräbers, Zahnziehers und Schäfers. Als „unehrlich“ wurden Zöllner und Nachtwächter eingestuft. Die Handwerksehre verlor auch der, der einen toten Hund berührte. Frauen waren hingegen damals ohne Einschränkungen „handwerksfähig“.

Reiseberichte und Dokumente bezeugen das Walzleben. Das Buch bringt uns Historisches nahe, führt aber auch in die Gegenwart anhand von Gewerkschaften und Sozialversicherungen. Aktuelle, sogar europäische, Entwicklungen informieren, nachdem beschrieben wurde, wie die Nazis sich bei der Gleichschaltung erfolglos die Zähne ausgebissen hatten. Das Widerstehen wirkt hier ausgeprägter.

Natürlich werden die Leistungen u. a. der Steinmetze beim Bau des Kölner Doms, des Straßburger und Ulmer Münsters und die der Vergangenheit angehörenden Berufe Nestler, Reußenschlosser oder Feilenhauer beschrieben.

Eine eigentümliche Fachsprache verbindet

Schrittweise wird der Leser in den Jargon eingebunden, bevor ein zwölfseitiges Doppelglossar mit  „Walzsprache/Deutsch“ und Abbildungen, die wir heute wohl eher mit „Gauner-Zinken“ verbinden, zum Nachschlagen einladen. Eine Vorstellung der Schächte und ein ausführliches Literaturverzeichnis runden alles ab. In der Tat ein Standardwerk zu Handwerkern auf der Walz. Treffend die Mahnung: „Die Form der Traditionswahrung, …, fordert historisches Bewusstsein!“

Die Herkunft des Rotwelschischen als geheime Kommunikationsform, die geläufigen Worten eine fremde Bedeutung unterlegt, wird verständlich beschrieben. Interessant die Erklärungen zu teilweisen hebräisch-jüdischen Ursprüngen. Was hat ein Bettelvogt mit dem Arbeitshaus zu tun oder Sprachakademien mit Räuberbanden und die mit Martin Luther? Kuriositäten zuhauf: Dass in Ulm 1410 der „Ausgang“ für Schweine gesetzlich auf 11–12 Uhr festgelegt war. Oder von der „Stimme des Hungers“ (Kohldampf), dem Chausseehasen als ironisierende Metapher wie auch vom Fleddern, den Pisspottbrüdern und der Bierfasswährung. Neue Begriffe bzw. Bedeutungen werden klar wie der Gänsemarsch, Leithammel und Plattengeselle. Bekannt kommt uns vor, dass beim Fassgesellen Abmeldung vom Zeremonial zu erfolgen hatte. 

Wandergesellen gestern und heute

Interner, grober Streit fällt nicht unter den Tisch. „Ruhmesblätter für die Geschichte der Bruderschaften sind sie sicher nicht.“ Wie wahr und gültig … Viele ausführliche Berichte von und Gespräche mit heute wandernden Gesellen tragen zur Lebendigkeit bei. Interessant deren Verzicht auf moderne Kommunikationsmittel zugunsten der mündlichen Vereinbarung, denn „der Sinn der Wanderschaft würde infrage gestellt.“ Die älteren „Männerschächte“ unterhalten übrigens Webseiten, während die Jüngeren darauf verzichten. Vertraute Streitpunkte sind: Aufnahme von Frauen, bitte mehr politisches oder ob Raumausstatter und Elektriker jetzt dazu gehören sollten. Anmerkung: 2015 hatte die radikal-links autonome Hamburger „Rote Flora“ bei ihrer Renovierung eine alternative Wandergesellen-Vereinigung eingesetzt.

„Die Welt ist rund, drum Brüder, lasst uns reisen!“ Ich empfehle: Auf in den lokalen Buchhandel. 

Mit Gunst und Verlaub!